Traumfabrik Harvard
vielmehr von ihrer weitaus geringeren »college preparedness«.
Haben sie es erst einmal in den »credible admissions pool« geschafft, werden sie genauso behandelt wie andere Bewerber und
bekommen bisweilen sogar einen Bonus. Doch die Chancen, dorthin zu kommen, »depend enormously on one’s race and how one grew
up«. (Bowen u.a. 2005: 254f.). Zulassungsanforderungen zugunsten einer ausgewogeneren sozialen Mischung der Studentenschaft
herunter zu schrauben, ist weder politisch noch finanziell ohne weiteres darstellbar. Das letzte Wort über eine bessere Vereinbarkeit
von
equity and excellence
ist daher noch lange nicht gesprochen.
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|106| Amerikana I: Liberal Arts Colleges
Was läge nach diesem Streifzug durch luxuriöse Häfen näher, als die Vorstellung von vier »typisch amerikanischen« Hochschulen
mit den
liberal arts
colleges
zu beginnen? Sie sind nicht nur einzigartig, sondern »distinctively American«, wie die American Academcy of Arts and Sciences
1999 treffend titelte, als sie ihnen ein Sonderheft ihrer Zeitschrift
Daedalus
widmete. Bei der Suche nach genaueren Informationen hilft auch hier wieder kein Führer weiter – in der CC taucht der Typ nicht
mehr auf, und kein Dachverband gibt Auskunft über die spezielle Aufgabe, Anzahl und Größe dieser Colleges. Selbst die Terminologie
ist nicht einheitlich – und damit auch umstritten, welche der Einrichtungen, die sich selbst so nennen, legitimerweise dazu
gehören und welche nur Bastarde sind. Auch verfließen manchmal die Grenzen zu privaten Universitäten, die sich der
liberal arts
education
verschrieben haben: Die Wesleyan University in Connecticut mit ihren 2.700
undergraduates
und 200
graduate students
ist genauso wenig oder genauso sehr eine Universtät wie das Skidmore College in Upstate New York oder Williams College in
Massachusetts, die mit ihren jeweils gut 2.000
undergraduates
und etwa 50
graduate students
als Mustertypen selbständiger
liberal arts colleges
gelten. Das Dartmouth College in New Hampshire dagegen ist ein Oxymoron – für seine gut 4.000
undergraduates
ein klassisches
college,
für seine 1.700
graduates
eine Universität. In der CC firmiert Dartmouth sogar als ausgewachsene Forschungsuniversität mit »very high research activity«,
und als eine der acht
ivy leagues
nimmt es stets einen der vordersten zehn Plätze im USNWR-Ranking ein. Ein ähnliches Profil, wenn auch längst nicht so prestigeträchtig,
bietet die Brandeis University aus Massachusetts, die nach allen Regeln der Kunst als Forschungsuniversität durchgeht, aber
nicht selten auch als
liberal arts college
betrachtet wird.
Trotz dieser begrifflichen Schwierigkeiten gibt es klare Hinweise, wo wir finden können, wonach wir suchen: auf dem Land.
Der harte Kern von
liberal arts colleges
besteht aus selbständigen Hochschulen, die einen Schwerpunkt auf die Lehre in den
arts and sciences
legen, nach einem vierjährigen Studium mit hervorragenden Betreuungsverhältnissen zum Bachelor führen, keine oder nur sehr
wenige
graduate students
haben – und in der Regel weitab vom Schuss auf weitläufigen Arealen in ländlicher Idylle liegen. Neugründungen sind praktisch
keine darunter, viele führen sich auf eine stolze Tradition zurück. Dennoch fühlen sich die meisten als moderne |107| Einrichtungen und sind curricularen Experimenten ausgeprochen zugetan. Weniger wegen der geographischen Lage als vielmehr
aus pädagogischen Gründen wohnen ihre Studenten ausnahmslos auf dem Campus – sämtliche
liberal arts colleges
sind
residential
, während
residential colleges
nicht immer mit einer
liberal education
einhergehen. Sie verstehen sich als »natural laboratories« für eine, wie man heute sagen würde, »ganzheitliche« Bildung, betonen
das enge Zusammenleben von Studenten und Professoren, versprechen Abgeschlossenheit vor den vielen Ablenkungen und Reizen
der Großstadt und legen größten Wert darauf, in der Traditionslinie amerikanischer
leadership education
den Gemeinschaftssinn der Studenten zu fördern – oft mit Hilfe besonderer curricularer Elemente und Experimente (Koblik/ Graubard
2000). Die Vergötterung des
community spirit
wird hier zum Programm. Was viele Beobachter skeptisch stimmt, sind die nicht ganz zufälligen Begleiterscheinungen dieses
Projekts: Einige vornehme
liberal arts
colleges
sind als Hochburgen für studentische Saufgelage (»binge drinking«) und Verbindungen
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