Traumfabrik Harvard
hingegen – das heißt die Hochschulen
mit dem höchsten Prestige – bereiten ihre Studenten explizit |104|
nicht
auf bestimmte berufliche Tätigkeiten vor. Wenn überhaupt, findet ein »occupational training« erst danach in einer
professional school
statt. Das Studium im
undergraduate College
schafft lediglich die Grundlagen dafür, dient als Filter. Die Übergangsquoten von Absolventen der »Elite-Schools« in die klassischen
professional schools
und in die fachwissenschaftliche
graduate
school
sind besonders hoch. Wenn eine Tendenz zur immer stärkeren Segmentierung der amerikanischen
higher education
zu beobachten ist, dann drückt sich diese nicht zuletzt im »curricular divide« zwischen Elite-Hochschulen und dem Rest aus
(Brint u.a. 2005).
Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Was wir beim Blick auf die amerikanische Hochschullandschaft sehen, ist nämlich auch
eine status- und prestigeorientierte
Schichtung
der verschiedenen Terrains. Wenn bei Studenten an Hochschulen mit dem höchsten Prestige
liberal arts
oder »academic fields« hoch im Kurs stehen, während die an weniger hoch angesehenen Einrichtungen überwiegend Studienprogramme
aus den »career fields« wählen, ergibt sich daraus der einfache Umkehrschluss: Elite gleich
arts and
sciences
, Massengeschäft gleich
vocational programs
. Gestützt wird diese Gleichung durch auffällige Unterschiede im Leistungsprofil der Studenten. Diejenigen, die für fachwissenschaftliche
majors
optieren, schneiden in den standardisierten Hochschuleingangstests durchweg besser ab als die in berufsorientierten Fächern. 35
Nicht zuletzt das macht Hochschulen mit einem nicht-berufsbezogenen Schwerpunkt für die besten Studenten attraktiv. Zum bedenklichen
Selbstläufer wird die Verkettung »Qualität gleich Prestige gleich
liberal arts
« angesichts dessen, dass Studienbewerber aus höheren sozialen Schichten in den Hochschulzulassungstests stets besser abschneiden
als solche aus sozial schwächeren Schichten. An selektiven Elite-Unis sind sie daher deutlich überrepräsentiert – völlig legitim,
ohne Mauschelei und Bestechung, allein auf Grund nachgewiesener Leistungen und Fähigkeiten. So löst sich auch das Rätsel,
warum soziale Schichtzugehörigkeit eng mit der Studienwahl korreliert und warum Studenten, die ihren
major
in den
arts and sciences
wählen, viel häufiger einer höheren Schicht entstammen als die im anderen Segment. Eines verweist auf das andere und
vice versa
. 36
Ist das also das schmutzige kleine Geheimnis der Hochschulausbildung in Amerika? Verbirgt sich hinter den Elite-Unis allem
Gerede von Meritokratie und
opportunity
zum Trotz eine geschlossene Gesellschaft, die ihren Kindern Plätze an Hochschulen zuschanzt, die für Studenten aus anderen
Kreisen entweder unattraktiv oder unerreichbar sind? 37 Dass » Elite-Schools |105| « soziale Eliten reproduzieren und ihren meritokratischen Ansprüchen nur teilweise nachkommen, ist empirisch gut belegt (McPherson/
Schapiro 2006). Mittlerweile stellen sie das auch selber gar nicht mehr in Abrede. Allen ist klar, dass sie »bastions of privilege«
sind (Bowen u.a. 2005). Dennoch wäre es verfehlt, in ihnen nur Biotope für WASPs oder einen »Club der Oberschicht« (Lenhardt
2005: 129) zu sehen. Ihre Studentenschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich verändert – nicht allein deshalb,
weil seit 1969 die Koedukation zur Regel wurde. Sie ist auch in sozialer und ethnischer Hinsicht deutlich heterogener geworden
– was darauf hindeutet, dass die Aufnahmechancen breiter verteilt sind, als es ihre Kritiker behaupten, und dass auch die
Elite-Unis ihren Teil zur sozialen Mobilität beitragen.
In der Öffentlichkeit, vor allem aber an den Hochschulen selber, wird intensiv darüber diskutiert, wie man jenseits symbolischer
affirmative action
* mehr Studenten aus unterprivilegierten sozialen Gruppen gewinnen und die
diversity
der Studentenschaft nachhaltig verbreitern kann, ohne den Exzellenzanspruch aufzugeben. Leistungsfähige und leistungswillige
kids
aus bildungsfernen Milieus sind zu begehrten Trophäen geworden, um die die feinsten Adressen mit großzügigen finanziellen
Hilfspaketen konkurrieren. Leider gibt es nur relativ wenige solcher
high performer.
Wenn Studenten »from a modest or disadvantaged background«, wie es verschämt heißt, an selektiven Colleges unterrepräsentiert
sind, zeugt das weniger von Willkür oder sozialer Diskriminierung als
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