Traumfabrik Harvard
zuletzt nicht so viele Verbindungen zu generösen Alumni oder Sponsoren, die einem riskanten neuen Vorhaben eine
willkommene Starthilfe zu geben bereit sind. In diesem Fall sind es also tatsächlich Ressourcen, die den Unterschied machen.
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Amerikana III: Community Colleges
An der Dominanz privater Hochschulen im Elite-Sektor gibt es inzwischen nichts mehr zu deuteln. Doch obwohl Elite-Einrichtungen
so viele Schlagzeilen machen und den hochschulpolitischen Diskurs nicht nur in den USA, sondern auch in anderen Erdteilen
munitionieren, ist das höchstens |116| nur die halbe Wahrheit über die Hochschulen in Amerika. Die große Mehrheit amerikanischer Studenten schreibt sich an den State
Universities ihres Heimatstaates ein – und ein wachsender Anteil nicht einmal dort, sondern an Colleges, die gar keinen regulären
Hochschulabschluss verleihen. Das allein wäre Grund genug, die Spur zu wechseln und die wolkigen Höhen des Elite-Stratums
zu verlassen. Aber die Community Colleges – ein Sammelbegriff für eine Fülle unterschiedlichster post-sekundarer Lehranstalten
– verdienen allein deshalb schon ein näheres Hinsehen, weil sie mit dem
educational gospel
der US-Gesellschaft (und dessen Licht- und Schattenseiten) verbunden sind wie kein anderer Hochschultyp. Es dürfte sehr schwer
fallen, in Europa Einrichtungen mit einem ähnlichen Aufgabenzuschnitt und institutionellem Profil zu finden. Bis ihnen die
boomenden privaten
for-profit-
Colleges diesen Rang abliefen, wuchsen die Community Colleges schneller als jeder andere Bereich des amerikanischen Hochschulsystems.
Gilt der unspektakuläre, geräuschlose Aufstieg dieses Hochschultyps als eine der »great success stories« (Brint/Karabel 1991),
sah der Politikwissenschaftler Martin Trow darin sogar »the most important structural change in American higher education«
im 20. Jahrhundert (Trow 1991: 157).
Als eine »uniquely American innovation in postsecondary learning« (Boggs 2004: 8) bilden Community Colleges als drittes Beispiel
»typisch amerikanischer« Hochschulen im mehrdimensionalen Ordnungsraum der Hochschulen gewissermaßen den Kontrapunkt zu den
beiden bisher beleuchteten Institutionen: Sie sind keine privaten, sondern öffentliche Einrichtungen, besitzen einen viel
geringeren Grad an Autonomie und dürfen weder über ihr Programm noch über ihr Budget völlig frei entscheiden. Sie suchen sich
ihre Studenten nicht aus, sondern müssen und wollen nach dem Grundsatz des
open access
nehmen, wer immer da kommt – was sie einer Schule ähnlicher macht als einer Hochschule. Ihre Studenten sind immer öfter solche,
die nicht direkt von der Schule kommen, sondern bereits berufstätig sind und sich weiterbilden wollen, aber keinen
degree
anstreben. Über ihre
mission
herrschen verschiedene Ansichten, und es wird oft bezweifelt, ob sie wirklich »
higher
education« betreiben. Schließlich und endlich haben sie wenig Geld und müssen von dem leben, was ihnen ihre Träger zubilligen
(im Schnitt 60 Prozent ihres Budgets) und was ihnen die Studenten pro Kurs bezahlen. Das ist nicht gerade viel: In Kalifornien
hatten die Hochschulen aus dem University of California System in den 1990er Jahren pro Student viermal und die State Universities
doppelt so |117| viel Mittel zur Verfügung wie die Community Colleges (Grubb/Lazerson 2005: 11). 40 Und da letztere normalerweise weder nennenswerte Vermögen noch potente Spender im Rücken haben, bleibt für hochfliegende
Pläne und Experimente kaum Spielraum.
Historisch gehen diese Anstalten, wie bereits dargestellt, auf lokale Initiativen zurück, postsekundare Bildungseinrichtungen
aufzubauen, die nicht zu einem Collegeabschluss führen sollten – eine Zwischenstufe, deren genaue Funktion und Gestalt bis
heute nicht befriedigend geklärt ist. Bis in die 1930er Jahre waren
2-year colleges
allerdings überwiegend privat und extrem heterogen (Brint/Karabel 1991). Während manche stark religiös geprägt waren, boten
andere eine landwirtschaftliche Ausbildung und viele sogar auch eine
liberal education
. Öffentliche, von den Gemeinden oder regionalen Zweckverbänden finanzierte
Junior Colleges
tauchten erst spät auf der Bildfläche auf. In großen Städten entwickelten sich
City Colleges
jedoch schon in den 1920er Jahre zu wichtigen Inkubatoren für den sozialen Wandel. Ihren breit gefächerten Unterrichtsangeboten
sprachen viele aufstiegswillige
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