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Traumfabrik Harvard

Titel: Traumfabrik Harvard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Schreiterer
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traumhafte 20 Prozent. Kein Wunder also, dass manch private Beteiligungsgesellschaft
     kräftigen Appetit auf einen satten Hochschulhappen bekam.
    Private Hochschulbildung kann in Amerika auf eine lange und sehr erfolgreiche Tradition zurückblicken, wie wir im vorigen
     Kapitel gesehen haben. Zu diesem Traditionsstrang gehörten neben den gemeinnützigen auch zahlreiche »proprietary«-Unternehmen,
     die sich bereits im 19. Jahrhundert |121| der stark expandierenden
professional education
widmeten. 1840 wurde in Pennsylvania das erste »business college« gegründet, und 1890 waren an den 250 Einrichtungen dieser
     Art sage und schreibe 81.000 Studenten eingeschrieben (Kinser 2006).
For-profit-
Hochschulen sind also keine Erfindung der jüngsten Zeit. Fast ein Viertel der akkreditierten Institute ist älter als 100 Jahre,
     und weitere 40 Prozent wurden in den 1960er und 1970er Jahren gegründet. Wirklich neu sind nur virtuelle Hochschulen wie die
     Jones International oder die Capella University (beide starteten 1993) – und Mega-Hochschulen, die zum Teil
private equity-
Firmen gehören wie Education Management und zum Teil ihr Kapital durch einen Börsengang aufgebracht haben wie Career Education
     oder Corinthian (beide 1995). Doch zur letzteren Kategorie gehören nur wenige kommerziellen Hochschulen. Auch riesige Online-Provider
     bilden immer noch die absolute Ausnahme. Das Hauptfeld besteht aus einer Fülle bunt gewürfelter, meistens sehr kleiner und
     hochspezialisierter
career colleges
. Nur ein Drittel von diesen Einrichtungen verleiht überhaupt einen Hochschulgrad, meist den Associate Degree und nur wenige
     einen Bachelor. In der
graduate
education
engagiert sich nur eine winzige Minderheit (Morey 2004)
.
Trotzdem sind
for-profits
keine vernachlässigbare Größe in der amerikanischen Hochschulbildung mehr. Der Auftritt neuer Anbieter auf der Bühne hat diese
     in einer Weise verändert, die selbst Insider vor 20 Jahren wohl kaum für möglich gehalten hätten.
    Durch die Statistiken des U.S. Department of Education geistern mehr als 1.600 postsekundare gewerbliche Bildungseinrichtungen
     mit bundesweit 2.700 Standorten – wohlgemerkt ohne Berücksichtigung der »corporate education« in Weiterbildungseinrichtungen
     der Wirtschaft. In der CC rechnen 909 der von ihr erfassten 4.392 Hochschulen zu den
for-profits
(20,7 Prozent); unter den beiden Kategorien »Special-focus institutions« und »Associate’s colleges« sind sie besonders stark
     vertreten. Stellen sie dort ein Drittel aller Einrichtungen (603 von 1814), sind es unter den »Research institutions« nur
     acht von 282 – eine vernachlässigbare Größe. An den 909 kommerziellen Instituten studierten 2005 etwas über eine Million Menschen,
     das heißt nur 5,8 Prozent aller Studenten, die einen Hochschulabschluss anstrebten (NCES 2006). Lassen diese Daten erste Rückschlüsse
     auf die Art ihres Geschäftes zu, vermittelt die Entwicklung der Studentenzahlen ein Gefühl für die Dynamik der
for-profits
: 1975, als diese Zuordnung zum ersten Mal in der Statistik ausgewiesen wurde, entfielen nur 44.360 von damals insgesamt 11,2
     Millionen Studenten (0,4 |122| Prozent) auf diesen Bereich. Doch während sich die Studentenzahlen an den öffentlichen Hochschulen zwischen 1975 und 2005
     mehr als verdoppelten (Faktor 2,1), wuchs der kommerzielle Sektor in derselben Zeit um den Faktor 22,8. Dessen Fahrt gewinnt
     immer mehr an Schwung: Im Staat New York stiegen die Immatrikulationszahlen an den zur State University gehörenden Einrichtungen
     (SUNY) zwischen 2000 und 2003 um acht, an denen der CUNY um elf und an den
for-profits
um 43 Prozent. 47 Kommt die amerikanische
higher education
demnächst an einen ähnlichen Wendepunkt wie in der Mitte des 20. Jahrhunderts, als staatliche Hochschulen zahlenmäßig die
     Oberhand gegenüber den privaten Einrichtungen gewannen?
    Selbstredend verdankt sich das wundersame Wachstum des
for-profit-Sektors
keiner unerklärlichen, plötzlichen Schwärmerei bildungshungriger Menschen für die alten
career colleges
. Diese dümpeln heute noch genauso vor sich hin wie vor 25 Jahren. Die großen Zahlen gehen allein auf das Konto der neuen
     Hochschultypen
.
Sie haben den Sektor gründlich und bis zur Unkenntlichkeit aufgemischt. Aus »mom-and-pop operations« – Tante-Emma-Läden –
     wurden riesige Supermarktketten, die ihre Warenangebote, »supply chains« und Kunden, ihr Kapital und Anlagevermögen professionell
    

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