Traumfabrik Harvard
einen AA oder AS erwarben, wählten mit Abstand
die meisten, nämlich 240.000, ein Programm aus den
liberals arts
oder aus den
sciences
; auf dem zweiten und dritten Platz folgten Gesundheitswesen mit 122.000 und Business mit 96.000 Studenten (NCES 2006: Tab.
252). Doch die große Mehrheit der Absolventen studiert nicht etwa weiter, sondern geht sofort in den Beruf oder bleibt dort,
wo sie vorher tätig war. 60 Prozent der Krankenschwestern und 80 Prozent der Feuerwehrleute und Polizisten in den USA besitzen
einen Associate Degree, den sie in der Regel im Teilzeitstudium erworben haben. Und wenn nur knapp elf Prozent aller »for-credit«-Studenten
einen solchen Abschluss erwerben, deutet das auf eine zweite Schieflage dieser Colleges hin: extrem hohe Abbrecherquoten.
Obwohl nach eigenen Angaben 42 Prozent ihrer Studienanfänger mindestens einen Bachelorabschluss anpeilen, hat nach acht Jahren
nur jeder zweite von ihnen einen AA oder AS erworben oder sein Studium an einem
4-year college
fortgesetzt (Lamkin 2004).
Andererseits ist das vielleicht nicht der richtige Maßstab, um die Leistungen der Community Colleges zu beurteilen. Immerhin
richten sie sich in erster Linie an »underserved students«, das heißt diejenigen, die sonst keine Chance hätten, ein reguläres
Studium erfolgreich zu absolvieren. So studieren 46 Prozent aller schwarzen Amerikaner, die eine Hochschule besuchen, 43 55 Prozent der »Hispanics« und 55 Prozent der Indianer (»Native Americans«) an einem Community College. Ein großer Teil der
Lehrveranstaltungen entfällt auf Stützkurse (»remedial courses«), die dem eigentlichen Studienprogramm vorgeschaltet sind
und in denen die Studenten auf den dafür erforderlichen Kenntnisstand gebracht werden sollen. Die hohen Abbrecherquoten zeigen,
dass das Studium für die meisten von ihnen eine Nebenbeschäftigung und das College kein wichtiger sozialer Bezugsraum ist.
Der Motivation und dem Lernklima ist das wenig zuträglich. Allen Versprechungen zum Trotz bleibt aber oft leider auch unklar,
welche beruflichen Chancen das Studium eröffnet, weil Community Colleges nur selten enge Kontakte zu lokalen Arbeitgebern
pflegen und ihre
vocational
programs
mit der Wirtschaft abstimmen (Ruch 2001).
Im Ergebnis sind die gut 1.100 Community Colleges in den USA ein weiteres Beispiel für »erfolgreich scheiternde« Einrichtungen.
Doch ihre offenkundigen Schwächen und Grenzen unterstreichen zugleich noch |120| einmal die enorme Bedeutung von
higher education
in der amerikanischen Gesellschaft. »Achieving the Dream« nennt sich denn auch ein von der Lumina Foundation for Education
gefördertes Projekt, das erkunden soll, wie es diese Institutionen allen Widrigkeiten zum Trotz schaffen können, einen größeren
Anteil ihrer Studenten zu einem Abschluss zu führen. 44
120
126
120
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false
Amerikana IV: Kommerzielle Hochschulen
Für das vierte Beispiel »typisch amerikanischer« Hochschulen stellt sich diese Frage vermutlich gar nicht. Stattdessen liefern
die
for-profits
gleich die Antwort: Mit strikt berufsorientierten, mundgerecht verpackten, leicht zugänglichen und erschwinglichen Studienprogrammen
treffen sie haargenau die Bedürfnisse einer Klientel, die mit der der Community Colleges weithin deckungsgleich ist. Analysiert
man die erstaunliche Karriere kommerzieller Hochschulen während der letzten zehn oder 15 Jahre, kommt man nicht umhin zu fragen,
was die Community Colleges falsch gemacht oder verpasst haben. Wie lässt sich der Höhenflug der
Higher Education, Inc.
(Ruch 2001) erklären? Werden die Geschäftsmethoden der hochprofitablen privaten Bildungsmaschinen mit ihren zweistelligen
jährlichen Wachstumsraten 45 zu einer »wholesale transformation of the traditional academic model« (Kinser 2006: 28) führen und die alte Hochschulwelt
auf den Kopf stellen? Der Markt boomt jedenfalls, und ein Ende der Blase ist noch nicht in Sicht: »Investors continue to pour
money into highereducation companies«, meldete der
Chronicle
Anfang 2005, als der Index der 13 an der Wall Street notierten Hochschul-Unternehmen von seinem Spitzenwert 700 im Juni 2004
schon wieder auf 550 gefallen war. Und noch im Dezember 2006 sagte der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Marktführers Apollo
Group den
for-profit colleges
eine »bright future« voraus, obwohl der Indexwert inzwischen nur noch bei 400 lag. 46 Auf dem Online-Markt erreichten die Umsatzrenditen oft
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