Traumfabrik Harvard
Stanford oder Washington in St. Louis werden relativ zentral gemanagt.
Andere, allen voran Harvard, verstehen sich als Holding semiautonomer Unternehmen: »Each tub at its own bottom« lautet die
berühmte Devise, nach der dort letztlich jede
school
zumindest finanziell selbst für sich geradestehen muss. Es gibt eine starke Präferenz für eine dezentrale Organisation und
akademische Führung »an der langen Leine«. Das macht die Elite-Universitäten untereinander schwer vergleichbar, ähneln doch
viele hybriden organisatorischen Gebilde mit einem gemeinsamen »Rückgrat« für vitale Funktionen und einer ansonsten wild wuchernden
Peripherie spezieller
schools,
wissenschaftlicher Programme, Zentren, Abteilungen und Institute. Zum gemeinsamen Kernbestand gehören die fachwissenschaftlichen
departments,
doch diese firmieren nicht immer unter dem großen Dach der
faculty of arts and
sciences
, sondern sind an einigen Universitäten auch in kleineren Einheiten zusammengefasst. Alle Elite-Unis besitzen ferner eine
für die Ausbildung der
undergraduates
verantwortliche Einheit, die meistens
college
, manchmal aber auch
school
genannt wird, eine ressortmäßig organisierte Verwaltung und eine Vertretung der
faculty
. Das Studienprogramm auf der College-Stufe unterscheidet zwischen verschiedenen
majors
, die in der Regel von einem, inzwischen immer öfter aber auch von mehreren
departments
getragen werden, und sogenannten »programs«, die weniger strikt abgegrenzt sind und eher einen explorativen, problemorientierten
Zuschnitt haben. Einig sind sich schließlich alle Elite-Unis in ihrem Bestreben, sich durch |113| glanzvolle akademische Feiern in ein strahlendes Licht zu setzen und ihre besonderen Ansprüche durch ein prächtiges Zeremoniell,
bunte Talare und Fahnen, festliche Empfänge und hochkarätige Redner aus Politik und Wirtschaft auch weit über ihre Mauern
hinaus öffentlichkeitswirksam zu dokumentieren. Die Eröffnung des akademischen Jahres und die Verabschiedung von Absolventen,
die in einigen Hochschulen sinnigerweise »commencement« (Anfang, Beginn) genannt wird, bietet dazu alljährlich eine gute und
gern genutzte Gelegenheit.
Forschung findet in den
departments
und
schools
als den akademischen Grundeinheiten statt. Mit immer größeren
research grants
unter den Vorzeichen von »Big Science« und kooperativen Forschungsvorhaben sind seit den 1960er Jahren allerorts »Organized
Research Units« (ORU) oder »Research Centers« entstanden, teils innerhalb dieser Grundeinheiten, teils daneben angesiedelt.
Viele von ihnen verfügen über eine eigene Infrastruktur (Gebäude und Labors) und eigenes Personal. In jüngster Zeit konnten
etliche solcher Centers dank großzügiger Spenden und Zustiftungen ein eigenes
endowment
aufbauen, was sie weitgehend unabhängig von den Ressourcen und der Gnade der Mutter-Universität macht. Das dezentrale, ja
zentrifugale Muster, nach dem die Forschungsperipherie der Universitäten expandiert, während zentrale Funktionen und Ämter
eher schwächer werden, ist in fast allen privaten Forschungsuniversitäten zu bemerken. Viele von ihnen ähneln einer Miniaturansicht
der amerikanischen Hochschullandschaft – unübersichtlich, zerklüftet und segmentiert, mit nur lockeren Verbindungen zwischen
einzelnen
schools,
Abteilungen, Centers und Untereinheiten. Doch statt Kakophonie herrscht hier Polyphonie. Im Unterschied zum System gibt es
nämlich einen Kopf (»The President makes the difference!«), ein klares Bewusstsein von einer jeweils speziellen Organisationskultur
und Praktiken, in denen diese immerfort wiederholt und bekräftigt wird: In den ausgefeilten Ritualen der Abschlussfeiern zum
Beispiel, in der aufwendigen, professionellen Beratung von Antragstellern für Forschungsprojekte, in der Sorgfalt, mit der
Studienbewerber ausgewählt, die entsprechenden Verfahren und Ergebnisse kommuniziert werden, und nicht zuletzt in der Art
und Weise, wie man durch eine Staffel externer Konsultationen und Gutachten gewährleisten will, dass wirklich nur die Besten
ihres Faches den Ritterschlag zum
full
professor
in der Walhall einer dieser Einrichtungen erhalten.
Aber warum ist das alles wichtig, um das Phänomen der privaten Elite-Universitäten zu begreifen? Weil ihr Betriebsgeheimnis,
um es einmal so zu |114| nennen, nicht in
tons of money
, fürstlichen Gehältern, phantastisch ausgestatteten Biobliotheken und Labors, straffem
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