Traumfabrik Harvard
Modellrechnungen zwar wunderschön nachweisen, dass eine Zulassung
nur aufgrund des |165| schulischen Erfolgs der Kandidaten die soziale Heterogenität der Studentenschaft vergrößern würde, ohne die Studienerfolgsquote
zu drücken (Alon/Tienda 2007). Aber die große Eigendynamik der Rankings und des Prestigewettlaufs macht eine solche Öffnungsoption
für die privaten Elite-Hochschulen sehr unwahrscheinlich.
Zu diesen ernüchternden Befunden gesellen sich zwei weitere schlechte Nachrichten: Erstens steckt die positive Diskriminierung
bestimmter Bewerbergruppen (Frauen, Schwarze, Absolventen armer und schlechter öffentlicher Schulen) zur Förderung von Chancengleichheit
und Teilhabe (
equity
) in der amerikanischen
higher education
in einer Sackgasse. Die weiße bürgerliche Wählerschaft toleriert
affirmative action
nicht länger, und der Oberste Gerichtshof hat 2003 in einem spektakulären Urteil »Grutter v. Bollinger« die Quotierung unterschiedlicher
Bewerbergruppen untersagt. Zweitens erhalten auch die staatlichen
flagship institutions
schlechte Noten, wenn es um die Zugangschancen für schwarze Studenten und für solche aus wirtschaftlich schlechter gestellten
Familien geht. Ihre Studentschaft wird, befand der unabhängige Washingtoner Education Trust Ende 2006, ständig »whiter and
richer«, obwohl die
diversity
der Highschool-Absolventen zunehme (
Chronicle
, 21.11.2006). 79 Tatsächlich stellten Familien aus dem obersten Einkommenszehntel Mitte der 1990er Jahre mehr als ein Viertel der Studenten
an den kalifornischen
flagships
. Das war zwar viel weniger als an den begehrtesten privaten Colleges (über 60 Prozent), zeugt aber auch noch von einer sozialen
Schieflage (Soares 2007: 167). Im Zweifelsfall finden es auch die öffentlichen Elite-Universitäten wichtiger, leistungsstarke
Studenten zu rekrutieren als formal weniger gut ausgewiesenen bedürftigen Bewerbern eine Chance zu geben. Gleiche Startbedingungen
für alle zu gewährleisten scheint 2008 erheblich schwieriger, als es noch 1990 den Anschein hatte (McPherson/Schapiro 2006;
Bowen u.a. 2005). Die weiteren Aussichten für eine Überwindung der sozialen Unwuchten in der
higher education
sind alles andere als rosig.
Aus der Perspektive der Colleges wird die Zulassung immer mehr zu einer Prestigefrage, Zulassungspolitik zum Prestigemanagement.
Was das konkret bedeutet, lässt sich an der einst für ihren
open access
berühmten CUNY studieren, die sich bemüht, den Bewerberkreis für ihre
4-year institutions
zu veredeln. Bereits 1998 entschieden ihre
trustees
, Absolventen aus den
associate degree programs
der CUNY darin nicht mehr automatisch aufzunehmen, falls sie Stützkurse benötigten, um dort über die Runden zu kommen. Ab
2008 wird nur noch aufgenommen, wer im mathematischen |166| Teil des SAT mindestens 510 Punkte erzielt hat – derzeit liegt der Schwellenwert noch bei 480 (
New York Times
, 28.7.2007, B1/2). Analoge Pläne für die Anhebung der »verbal scores« liegen bereits in der Schublade. Bedenken, dass diese
Politik die klassische Klientel der Hochschule – »low-income, black, and Hispanic« – abschrecken und aus der CUNY, wie es
ein Psychologie-Professor ausdrückte, »more of a middle-class university« machen würde, wischten die
trustees
vom Tisch. Möglicherweise werde es »some dislocating effects« geben, aber die
undergraduate education
an der CUNY gehöre dringend aufgemöbelt, wenn die Hochschule im harten Wettbwerb nicht weit zurückfallen wolle.
Ein zweites Beispiel für eine schleichende, im Ergebnis jedoch massive Veränderung der Zulassungspraxis bietet die Karriere
des Begriffs »enrollment management«. 1990 noch so gut wie unbekannt, beschreibt er treffend die neue Aufgaben der Zulassungsämter.
Früher warteten sie auf Anträge. Heute sollen sie bereits weit im Vorfeld tätig werden. Von Profil her interessante, attraktive
potentielle Bewerber identifizieren, sie so ansprechen, dass sie tatsächlich ihren Hut in den Ring werfen und sie schließlich
nach erfolgter Zulassung auch zur Einschreibung bewegen – das ist das neue Programm. Sind sie nicht mit der Sichtung von Bewerbungen
befasst, fahren die
admission officers
quer durchs Land, immer öfter auch durch die Welt, um ihr College an die Bewerber zu bringen. Sie halten engen Telefonkontakt
mit den Beratungslehrern wichtiger Zubringerschulen und laden sie zu Campus-Besuchen ein; sie präsentieren das
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