Traumfabrik Harvard
»College-Erlebnis«
ihrer Hochschule auf Messen und Empfängen; sie organisieren vituelle und reelle Besichtigungstouren des Campus und der Wohnheime;
sie füttern Alumni mit Informationen und nutzen sie als Brückenkopf in fremden Umgebungen. All das wird generalstabsmäßig
geplant und professionell abgewickelt. Auch der Ankauf und die Auswertung soziodemographischer Daten über attraktive Zielgruppen,
zum Beispiel leistungsstarke schwarze Schüler, gehört zu diesem Geschäft. Die beiden großen privaten Testunternehmen, College
Board (SAT) und ACT, betreiben seit etwa 15 Jahren einen schwunghaften Handel mit Adressen und Leistungsprofilen ihrer Kunden.
Zum kleinen Einmaleins erfolgreichen Studentenmarketings gehört es, potenziellen Studenten das Gefühl zu vermitteln, dass
sie an der Hochschule willkommen und gut aufgehoben sind – und auf alle Fragen sofort eine freundliche Antwort erhalten (Keller
2004: 42ff.).
Der »admissions arms race« (Zemsky u.a. 2005: 32ff.) hat den Zulassungsämtern nicht nur mehr Arbeit und Aufgaben, sondern
auch größere |167| Etats und mehr Stellen beschert. Immer häufiger lassen sie sich bei ihrer Arbeit von Marketing Consultants beraten, die fürstliche
Honorare beziehen. 80 Das alles treibt die Kosten kräftig in die Höhe. Legt man sämtliche Aufwendungen im Umfeld der Zulassung auf die neuen Studenten
um, beliefen sich die Kosten für eine Einschreibung 2005 bei privaten
non-profit
Hochschulen im Mittel auf 2.073 Dollar und bei staatlichen auf 405 Dollar (
Chronicle,
3.3.2006). Die meisten Einrichtungen betrachten das als gut angelegtes Geld. In der Tat können sie darauf hoffen, dass sie
es früher oder später in Form von Spenden mit Zinseszins zurückbekommen – wenn denn die
undergraduate experience
hält, was sie den Bewerben versprechen, und wenn denn das
bonding
im Wohnheim klappt.
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171
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Demographie der Studentenschaft
Bis jetzt haben wir den Zulassungsprozess und seine Folgen in erster Linie aus einer institutionellen Perspektive untersucht.
Jetzt wird es Zeit für einen Blickwechsel: Was lässt sich zur Studentenschaft des
undergraduate
college
sagen, zu ihrem sozialen Profil und zu ihrer Verteilung auf die unterschiedlichen Segmente von Hochschulen? Weil die amtlichen
Statistiken oft nicht genau unterscheiden zwischen
undergraduates
an
4-year institutions
und allen anderen Studenten, die keine
graduate
oder
professional education
absolvieren, verfügen wir nur für die Studienanfänger (
freshmen
) über belastbare Daten. Konzentrieren wir uns auf deren Entwicklung zwischen 1975 und 2005, zeigen sich drei interessante
Trends: Erstens stieg ihre Gesamtzahl nach einer relativen Stagnation bis 1995 von knapp 1,2 auf knapp 1,6 Millionen pro Jahr,
das heißt um ein gutes Drittel. Zweitens verzeichneten private Hochschulen mit 54 Prozent einen mehr als doppelt so starken
Zuwachs wie die öffentlichen mit 24 Prozent. Nahmen letztere 1975 zwei Drittel aller Studienanfänger auf, waren es 30 Jahre
später nur noch 61 Prozent. Mit voranschreitender Expansion ist der private Sektor folglich nicht etwa schwächer, sondern
im Gegenteil stärker geworden. Drittens gab es eine nachhaltige Veränderung im Geschlechterverhältnis, denn
freshmen
sind heute mehrheitlich weiblich.
Wie verhält es sich mit der ethnischen Zusammensetzung der Studienanfänger, die 2007 zu 68 Prozent im zarten Alter von 18
und zu 29 Prozent mit 19 Jahren 81 ihre Ausbildung an einem
4-year college
antraten? In |168| dieser für das Selbstbild der amerikanischen Gesellschaft sehr wichtigen Frage gibt es deutliche Hinweise auf Disparitäten:
Bezeichneten sich 75,1 Prozent der
freshmen
selber als »white/caucasian«, dann entspricht das exakt dem Anteilswert dieser Gruppe an der Bevölkerung im US-Census von
2000. Doch während »African Americans« und »Hispanics« dort 12,3 beziehungsweise 12,5 Prozent ausmachten, sind sie im
undergraduate college
nur mit 10,7 und 8,8 Prozent vertreten. Im Gegensatz dazu sind »Asians« mit 8,0 Prozent mehr als doppelt so stark repräsentiert,
wie es ihrem Bevölkerungsanteil entsprechen würde (3,4 Prozent). Die in Amerika geborenen oder hierher eingewanderten Kinder
von Familien aus Korea, Vietnam, China und Indien mischen vor allem die oberen Ränge der amerikanischen
higher education
kräftig auf: Sie gelten als klug und ehrgeizig, sind bildungsbeflissen und sehr fleißig. Im mathematischen Teil
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