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Traumfänger

Traumfänger

Titel: Traumfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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Mutante - die Veränderte.
    Ich verstand nicht, warum Ooota, der für beide Seiten als Sprecher füngierte, ihnen die Aussprache eines so eigenartigen Namens beibrachte. Bei Mutante oder Veränderte mußte ich an bedeutende Veränderungen im Erbgefüge denken, eben in Form einer Mutation, die dem Original nicht mehr ähnlich ist. Aber eigentlich war mir der Name auch egal, denn mittlerweile war mein ganzer Tag, ja mein ganzes Leben, in einen Zustand kompletter Verwirrung geraten.
    Ooota sagte mir, daß es bei einigen Aborigine-Völkern überhaupt nur acht Namen gebe, die dann mehr einem Zählsystem glichen. Alle Menschen, die dasselbe Geschlecht hatten und zur selben Generation gehörten, teilten auch denselben Verwandtheitsgrad, deshalb hatte jeder gleich mehrere Mütter, Väter, Brüder und so fort.
    Als es dunkel wurde, erkundigte ich mich nach der geläufigen Methode, um sich zu erleichtern. Dann wünschte ich mir, daß ich Zuke, der Katze meiner Tochter, besser zugesehen hätte, denn unsere Toilette war die Wüste, in die man hinauswandern mußte.
    Man grub ein Loch in den Sand, hockte sich darüber und warf es danach wieder mit Sand zu. Sie ermahnten mich, auf Schlangen zu achten. Wenn der heißeste Teil des Tages vorbei und die Nachtkälte noch nicht eingebrochen ist, sind sie am aktivsten. Daraufhin sah ich überall im Sand böse Augen und giftige Zungen, die auf jede meiner Bewegungen reagierten. Auf meinen Reisen durch Europa hatte ich mich über das schreckliche Toilettenpapier beklagt. Und nach Südamerika hatte ich mir sogar mein eigenes mitgenommen. Hier aber war das Fehlen von Papier wirklich mein geringstes Problem.
    Als ich von meinem kleinen Wüstenspaziergang zur Gruppe zurückkehrte, tranken wir gemeinsam einen Aborigine-Steintee. Der Steintee wird hergestellt, indem man heiße Steine in einen Behälter mit kostbarem Wasser wirft. Sie benutzten dazu einen Beutel, der ursprünglich irgendeinem Tier als Blase gedient hatte. Dem erhitzten Wasser wurden wilde Kräuter zugefügt, und dann ließ man den Tee so lange ziehen, bis er gut war. Wir reichten das außergewöhnliche Gefäß in der Gruppe herum. Es schmeckte wunderbar!
    Den Steintee, so fand ich später heraus, gibt es nur zu besonderen Gelegenheiten, und das Ende meines ersten Tages mit den Aborigines in der Wüste war so eine besondere Gelegenheit. Ihnen war klar, mit welchen Schwierigkeiten ich ohne Schuhe, Schatten, nur auf meine nackten Füße gestellt, hatte kämpfen müssen. Die Kräuter, die man dem Wasser beigegeben hatte, um den Tee zu brauen, dienten weder als Geschmacksverstärker noch als Heil- oder Nährmittel.
    Mit ihnen wollten sie die Vollkommenheit der Gruppe feiern. Sie feierten, daß ich nicht aufgegeben und darauf bestanden hatte, in die Stadt zurückgebracht zu werden, auch hatte ich nicht laut gejammert und geklagt. Sie hatten das Gefühl, daß ich den Aborigine-Geist empfing.
    Dann begannen sie an einigen Stellen den Sandboden zu glätten. Jeder nahm sich aus dem großen Gemeinschaftsbündel, das schon vorher herbeigetragen worden war, eine Rolle aus Tierfell oder -haut. Den ganzen Abend schon hatte mich eine ältere Frau mit einem Gesichtsausdruck angestarrt, den ich nicht deuten konnte. »Was denkt sie nur?« fragte ich Ooota.
    »Daß du nicht mehr nach Blumen riechst und wahrscheinlich aus einer anderen Welt kommst.«
    Ich lächelte, und daraufhin überreichte sie mir ein Bündel. Ihr Name war Nähmeisterin.
    »Es ist ein Dingofell«, erklärte Ooota. Ich wußte, daß der Dingo ein australischer Wildhund war, ähnlich unseren Kojoten oder Wölfen. »Es ist vielseitig verwendbar. Du kannst dich darauflegen, dich damit zudecken oder es als Kopfkissen benutzen.«
    »Na, wunderbar«, dachte ich. »Ich darf mir aussuchen, für welchen halben Meter Körper ich es nehme!«
    Ich beschloß, es zwischen mich und die krabbelnden Kreaturen, die ich in meiner Nähe wähnte, zu plazieren. Es war schon viele Jahre her, seit ich das letzte Mal auf dem Boden geschlafen hatte. Ich konnte mich erinnern, daß ich als Kind viel Zeit auf einem großen flachen Felsen in der Mojave-Wüste in Kalifornien verbracht hatte. Wir lebten damals in Barstow.
    Die Hauptattraktion dort war ein riesiger Hügel, den man den »B«-Berg nannte. Im Sommer hatte ich mir oft eine Flasche Orangenlimonade und ein Erdnußbutter-Sandwich eingepackt und war auf den Hügel oder um ihn herum gewandert. Ich rastete immer auf demselben flachen Felsen, aß mein Picknick

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