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Traumfänger

Traumfänger

Titel: Traumfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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Loch nach oben geholt worden war, und packte ihn um seine Füße. Sie erklärten mir, wenn es ihnen gelänge, die Hitze aus seinem Kopf nach unten zu ziehen, würde das seine Körpertemperatur wieder ins Gleichgewicht bringen. Ich fand das zwar äußerst merkwürdig, aber sein Fieber sank tatsächlich. Auch die Kräuter wirkten und verhüteten die Bauchschmerzen und den Durchfall, den ich nach solch einem Vorfall erwartet hätte.
    Es war wirklich bemerkenswert. Wenn ich nicht alles mit eigenen Augen gesehen hätte, ich hätte es selbst nicht geglaubt. Vor allem ihre Verständigung über Telepathie war für mich kaum faßbar. Ich redete mit Ooota über meine Eindrücke.
    Er lächelte und sagte: »Jetzt weißt du, wie ein Ureinwohner sich fühlen muß, wenn er das erste Mal in die Stadt geht und sieht, wie ein Mensch eine Münze in einen Telefonapparat steckt, eine Nummer wählt und dann mit einem Verwandten zu reden beginnt. Er kann es einfach nicht glauben.«
    »Ja«, erwiderte ich. »Das Telefon ist sicherlich auch keine schlechte Erfindung, aber hier draußen, wo wir weder Münzen noch Telefonzellen haben, funktioniert eure Methode bestimmt besser.«
    Ich wußte schon jetzt, daß die Leute zu Hause mir meine Geschichten über telepathische Verständigung wohl nicht glauben würden. Sie konnten zwar ohne weiteres akzeptieren, daß überall auf der Welt die Menschen grausam zueinander sind, aber daß es auf dieser Welt auch Menschen geben soll, die keinen Rassismus kennen, in völliger Eintracht und Harmonie zusammenleben und ihre eigenen Talente und Begabungen nicht mehr und nicht weniger schätzen als die ihres Nächsten, würden sie mir wohl nicht abnehmen.
    Ooota glaubt, daß die »Wahren Menschen« deshalb Zugang zur Telepathie haben, weil sie niemals lügen, ja nicht einmal die Wahrheit beugen, Halbwahrheiten akzeptieren oder eine Behauptung ohne Substanz aufstellen. Die Devise lautet: Keine einzige Lüge, und deshalb haben sie auch nichts zu verbergen. Diese Menschen haben keine Angst davor, ihren Geist für Neues zu öffnen, und sie sind immer bereit, die anderen an ihrem Wissen teilhaben zu lassen. Ooota erklärte mir, wie das System funktioniert. Wenn zum Beispiel ein zweijähriges Kind ein anderes mit einem Spielzeug hantieren sieht - vielleicht einem Stein, den es an einer Schnur hinter sich herzieht - und versucht, diesem Kind sein Spielzeug abzunehmen, spürt es sofort, wie sich die Augen aller Erwachsenen auf es richten.
    Sofort weiß es, daß sein Vorhaben, das Spielzeug ohne Erlaubnis des anderen zu nehmen, nicht verborgen geblieben ist und nicht gutgeheißen wird. Das andere Kind wird gleichzeitig lernen zu teilen und erfahren, daß es nicht gut ist, sein Herz an Gegenstände zu hängen. Dieses Kind hat erfahren, welchen Spaß das Spielen mit dem Stein macht. Die Erinnerung daran hat sich ihm eingeprägt. Wichtig und erstrebenswert ist das Glücksgefühl, nicht der Gegenstand selbst.
    Telepathie - eigentlich ist es die Verständigungsart, die für uns alle völlig natürlich sein müßte. Wenn alle Menschen diese Form der Kopf-zu-Kopf-Unterhaltung nutzten, gäbe es keine verschiedenen Sprachen und Alphabete mehr, die die Verständigung untereinander erschweren. Aber in meiner Welt, wo die Leute ihre Arbeitgeber bestehlen, das Finanzamt betrügen und sich mit Seitensprüngen brüsten, würde sie wohl kaum funktionieren. Es würde wohl niemandem behagen, wenn man ihm im wahrsten Sinne des Wortes
    »in den Kopf« blicken könnte. Wir müssen zu viele Enttäuschungen, zu viele Verletzungen und zuviel Bitterkeit verbergen. Ich mußte doch nur bei mir selbst anfangen! Konnte ich denn jedem vergeben, von dem ich mich schlecht behandelt fühlte? Konnte ich mir selbst all die Verletzungen, die ich anderen zugefügt hatte, verzeihen?
    Eines Tages, so hoffte ich, würde ich dazu fähig sein, wie die Aborigines mein Denken und Fühlen aller Welt preiszugeben, und ich würde einfach dabeistehen und zusehen, wie meine Beweggründe offengelegt und untersucht würden.
    Die »Wahren Menschen« glauben nicht, daß die menschliche Stimme zum Sprechen geschaffen wurde.
    Man spricht mit dem Kopf. Wenn die Stimme zum Sprechen benutzt wird, werden die Unterhaltungen in der Regel nichtssagender, überflüssiger und weniger inspiriert. Die Stimme ist zum Singen geschaffen, zur Lobpreisung der Göttlichen Einheit und zum Heilen.
    Sie erklärten mir, daß jeder Mensch über zahlreiche Talente verfüge, und jeder könne auch

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