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Traumfänger

Traumfänger

Titel: Traumfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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erklärte ich ihnen das russische System und die Unterschiede zwischen der chinesischen und der japani-schen Wirtschaft. Ich hatte in fast allen Ländern Mitteleuropas, in Brasilien und Sri Lanka Vorträge gehalten, und ich berichtete ihnen, was ich über diese Länder wußte. Wir sprachen über die Industrie und ihre Produkte.
    Darin, daß Autos wirklich praktische Transportmittel sind, stimmten alle überein. Aber zum Sklaven der monatlichen Raten zu werden, das schien ihnen die Sache doch nicht wert zu sein. Erst recht nicht, wenn noch dazu die Möglichkeit bestand, in einen Unfall verwickelt zu werden. Dann hätte man einen Streit am Hals und könnte sich womöglich Feinde machen.
    Dazu kam noch, daß sie nicht ganz einsahen, weshalb man das kostbare Wasser mit vier Rädern und einer Sitzbank teilen sollte. Und außerdem hatten sie es sowieso nie eilig. Ich schaute zur Nähmeisterin hinüber. Sie hatte viele bemerkenswerte Eigenschaften, die ich bewunderte.
    Obwohl sie weder lesen noch schreiben konnte, war sie über die Weltgeschichte und sogar aktuelle Ereignisse bestens informiert. Sie war kreativ und aufmerksam - sie hatte dem Großen Steinjäger ihre Hilfe bei der Reparatur angeboten, noch bevor er sie darum gebeten hatte. Die Nähmeisterin hatte ein Ziel im Leben, und sie lebte danach. Es schien zu stimmen - ich konnte etwas lernen, indem ich die Person, die mir im Kreis gegenübersaß, genau beobachtete. Ich fragte mich, was sie wohl über mich dachte.
    Wenn wir uns in einen Kreis zusammensetzten, nahm auch immer jemand den Platz mir gegenüber ein, aber sie drängten sich nicht danach. Einer meiner Hauptfehler war sicherlich, daß ich zuviel fragte. Immer wieder mußte ich mich daran erinnern, daß diese Menschen freimütig alles miteinander teilten, und sie würden auch mich einschließen, wenn es an der Zeit war. Wahrscheinlich klang ich für sie wie ein quengeliges Kind.
    Als wir uns zum Schlafen niedergelegt hatten, mußte ich immer noch über ihre Bemerkungen nachdenken. Geschäfte sind unwirklich, sie sind nur Vereinbarungen, und trotzdem ist es das Ziel aller Geschäfte, im Geschäft zu bleiben. Was dabei für die Beteiligten selbst herauskommen mag oder wie das Produkt oder die jeweilige Dienstleistung aussehen, ist weniger wichtig! Für jemanden, der noch nie eine Zeitung gelesen, ferngesehen oder Radio gehört hatte, war das eine ziemlich scharfsinnige Beobachtung. In diesem Moment wünschte ich mir, die ganze Welt könnte diese Frau hören. Anstatt diesen Teil der Welt Outback zu nennen, sollte man ihn vielleicht zum Mittelpunkt des menschlichen Bewußtseins machen.

17 • Musiktherapie
    Einige Stammesmitglieder verstanden etwas von Musikmedizin. Ooota benutzte beim Übersetzen tatsächlich manchmal das Wort »Medizin«. Allerdings hatte es wenig mit unserem Verständnis von Medizin zu tun und bezog sich auch nicht auf den physischen Heilungsprozeß. »Medizin« war alles, was man positiv zum Gesamtbefinden der Gruppe beitrug. Ooota erklärte mir, daß es zwar gut sei, über die Gabe - oder eben Medizin - zu verfügen, gebrochene Knochen zu richten, aber dies sei nicht besser und nicht schlechter als zum Beispiel das Talent, einen besonderen Zugang zu Fruchtbarkeit und Eiern zu haben. Beides war wichtig, und beides war mit bestimmten Personen verbunden. Ich stimmte dem zu und freute mich auf die Mahlzeit aus Eiern, die es vielleicht demnächst einmal geben würde.
    An jenem Tag teilte man mir mit, daß ein großes Konzert stattfinden sollte. Musikinstrumente gehörten nicht zu den wenigen Besitztümern, die wir bei uns trugen, aber ich hatte schon längst aufgehört zu fragen, wann und wie Dinge aus dem Nichts auftauchten sollten.
    Als wir an diesem Nachmittag durch einen Canyon wanderten, spürte ich, wie die Spannung in der Gruppe stieg. Es war eine enge, vielleicht dreieinhalb Meter breite Schlucht, die an den Seiten bis zu sechs Meter aufragte. Wir hielten an, um unser Nachtlager aufzuschlagen, und während eine Mahlzeit aus Pflanzen und Insekten bereitet wurde, bauten die Musiker ihre Bühne auf. In der Schlucht wuchsen Pflanzen mit runden, faßförmigen Früchten. Sie wurden an ihrem oberen Ende aufgeschnitten, und wir löffelten das saftige, kürbisfarbene Fleisch heraus und saugten es aus. Die großen Samenkörner wurden aufbewahrt. Über die ausgehöhlten Früchte spannten die Musiker einige der glatten Tierhäute, die wir immer bei uns trugen. Es wurden wunderbare Schlaginstrumente

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