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Traumfänger

Traumfänger

Titel: Traumfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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daraus.
    In der Nähe lag ein alter, abgestorbener Baumstamm, dessen Äste zum Teil von Termiten übersät waren. Sie brachen einen dieser Äste ab und schlugen die Termiten herunter. Die Tiere hatten sich am Inneren des Astes gütlich getan, und er war jetzt nur noch mit Sägemehl gefüllt. Sie rammten einen Stock in den hohlen Ast und entfernten so die krümeligen Holzreste.
    Bald darauf hielten sie ein langes, hohles Instrument in der Hand. So mußte Gabriels Trompete entstanden sein. Später erfuhr ich, daß die Australier dieses Instrument Didjeridoo nennen. Wenn man hineinbläst, erzeugt es einen tiefen, melodischen Ton.
    Einer der Musiker begann zwei Stöcke gegeneinanderzuschlagen, und ein anderer lieferte mit zwei Steinen den Grundrhythmus. Sie hatten kleine Schiefersteine gesammelt und auf Fäden aufgereiht. Als sie jetzt im Wind aneinanderklimperten, klangen sie wie Glockenspiele. Ein Mann hatte ein flaches Holzstück an einem Seil befestigt und ließ es dann über seinem Kopf durch die Luft sausen. So erzeugte er einen tiefen, heulenden Ton. Entsprechend nannten sie das Instrument Bullenbrüller. Gekonnt variierten die Musiker bei ihrem Konzert die Lautstärke, wobei der riesige Klangkörper des Canyons für fantastische Schwingungen und Echos sorgte. Dafür gab es keinen passenderen Ausdruck als das Wort Konzert.
    Die Ureinwohner singen allein oder in Gruppen, oft auch mehrstimmig. Einige ihrer Lieder sind so alt wie die Zeit. Sie verfügen über ein großes Repertoire an Gesängen, die bereits vor der Erfindung unseres Kalenders hier in der Wüste entstanden sind. Allerdings hörte ich auch neue Kompositionen, Musik, die sie nur geschaffen hatten, weil ich bei ihnen war. »So wie der Musiker den musikalischen Ausdruck sucht«, erklärten sie mir, »sucht die Musik des Universums nach einer Möglichkeit, ausgedrückt zu werden.«
    Weil sie über keine Schriftsprache verfügen, wird ihr Wissen durch Lieder und Tänze von Generation zu Generation weitergegeben. Jedes historische Ereignis läßt sich durch Zeichnungen im Sand, durch ein Theaterspiel oder Musik schildern. Um die Erinnerungen lebendig zu halten, musizieren sie eigentlich jeden Tag. Es würde fast ein Jahr dauern, wenn sie ihre ganze Geschichte erzählen wollten. Wenn man dann noch jedes einzelne Ereignis aufmalen und diese Gemälde in der richtigen Reihenfolge auf dem Boden ausbreiten würde, hätte man eine Weltkarte der letzten Jahrtausende.
    Ganz besonders beeindruckt hat mich jedoch, daß diese Menschen auch ohne jeden materiellen Besitz ein wirklich ausgefülltes Leben genießen. Als unser Fest zu Ende war, legten sie die Instrumente wieder dorthin zurück, wo sie sie gefunden hatten. Die Samen wurden eingepflanzt, um neues Wachstum zu ermöglichen, und an den Felswänden wurden Zeichen angebracht, um die nächsten Wanderer auf den Zeitpunkt der Ernte hinzuweisen. Doch auch wenn sich die Musiker von Stöcken, Trommeln und Steinen getrennt hatten, blieb ihnen die Freude an ihrer kreativen Komposition und an dem, was jeder dank seines besonderen Talents geschaffen hatte. Es bestätigte jeden einzelnen in seinem persönlichen Selbstverständnis und Selbstwertgefühl. Ein Musiker trägt seine Musik in sich. Er braucht keine besonderen Instrumente. Er selbst ist die Musik.
    Auch ich hatte das Gefühl, an diesem Tag etwas gelernt zu haben, nämlich daß man sich im Leben nur selbst bedienen muß. Wir selbst können unser Leben bereichern und uns beschenken. Jeder Mensch kann so glücklich und so schöpferisch sein, wie er es sich selbst zu werden erlaubt. Der Komponist und die anderen Musiker hatten die Bühne hocherhobenen Hauptes verlassen. »Ziemlich gutes Konzert«, bemerkte einer von ihnen. »Eines unserer besten«, war die Antwort. »Ich denke, ich werde meinen Namen demnächst von Komponist zu Großer Komponist ändern«, hörte ich den Mann sagen, der sich an diesem Tag besonders hervorgetan hatte.
    Trotzdem ging es ihnen nicht darum, sich wichtig zu tun. Dies waren einfach Menschen, die ihre eigenen Begabungen erkannten. Sie wußten, wie wichtig es ist, daß wir andere an den wunderbaren Fähigkeiten, die uns gegeben sind, teilhaben lassen und daß wir sie weiterentwickeln. Seinen eigenen Wert zu würdigen und sich selbst einen neuen Namen zu verleihen, sind zwei Dinge, die unmittelbar zusammenhängen.
    Die »Wahren Menschen« behaupten von sich, sie seien schon immer hier gewesen. Den Wissenschaftlern ist bekannt, daß sie Australien

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