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Traumfänger

Traumfänger

Titel: Traumfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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fühlen sich die meisten Amerikaner irgendwo in der Mitte am wohlsten: weder zu reich noch zu arm; zwar nicht todkrank, aber auch nie richtig gesund; nicht frei von aller Schuld, aber keine Verbrecher. Doch früher oder später müssen wir das Selbstvertrauen haben, aus der Gruppe herauszutreten. Wir müssen führen, wenn auch nur, um zu lernen, für uns selbst verantwortlich zu werden.
    Während ich meine aufgesprungenen Lippen mit tauber, trockener Zunge leckte, schlief ich ein. Ich konnte nicht sagen, ob der Grund für meine Benommenheit Hunger, Hitze, Durst oder Erschöpfung war.
    Wir wanderten einen zweiten Tag unter meiner Führung. Wieder war die Hitze unerträglich. Mein Hals war mittlerweile angeschwollen, und ich konnte nicht mehr schlucken. Meine Zunge war fast steif vor Trockenheit und schien um ein Vielfaches angeschwollen zu sein, ein trockener Schwamm zwischen meinen Zähnen. Das Atmen fiel mir schwer. Während ich mühsam heiße Luft in meinen Brustkorb leitete, konnte ich plötzlich verstehen, weshalb diese Menschen es als einen Segen empfanden, die gleiche Nasenform wie ein Koalabär zu haben. Für diese sengenden Temperaturen war ihre breite, ausladende Nase mit den großen Löchern viel besser geeignet als meine europäische Stupsnase.
    Der leere Horizont wirkte immer bedrohlicher. Er schien der Menschheit die Stirn zu bieten und zu einer anderen, überirdischen Dimension zu gehören. Das Land war aus allen Schlachten um seine Urbarmachung siegreich hervorgegangen, und jetzt schien es allem Leben gegenüber feindlich eingestellt zu sein. Es gab keine Straßen und über uns keine Flugzeuge, nicht einmal mehr die Spuren irgendwelcher Tiere waren zu sehen.
    Ich wußte, daß wir alle sterben würden, wenn die Stammesmitglieder mir nicht bald zur Hilfe eilten. Unser Tempo hatte sich verlangsamt, wir mußten uns jeden einzelnen Schritt abringen. In der Ferne sahen wir eine schwere, dunkle Regenwolke. Sie blieb immer gerade weit genug vor uns, daß wir sie nicht erreichen und von ihrem segensreichen Inhalt profitieren konnten - es war eine regelrechte Folter. Wir konnten noch nicht einmal nahe genug an sie herankommen, um in den Genuß ihres Schattens zu kommen. Wir sahen sie nur in der Ferne und wußten, daß das lebenspendende Wasser vor uns herzog wie eine Karotte, die man einem Esel vor die Nase hält.
    Irgendwann schrie ich einfach. Vielleicht, um mir zu beweisen, daß ich es noch konnte, vielleicht aus Verzweiflung. So oder so, ich bewirkte nichts damit. Die Welt schluckte das Geräusch einfach wie ein gefräßiges Ungeheuer. Trügerische Luftspiegelungen ließen mich vor uns Becken voll klaren, kühlen Wassers entdecken, aber wenn wir an der Stelle ankamen, war es einfach nur Sand, Sand und wieder Sand.
    Ein zweiter Tag verging, ohne daß wir Nahrung, Wasser oder Hilfe gefunden hätten. An diesem Abend war ich zu erschöpft, krank und entmutigt, um noch mein Tierfell auszubreiten; statt einzuschlafen, muß ich einfach ohnmächtig geworden sein.
    Am Morgen des dritten Tages ging ich zu allen Stammesmitgliedern und flehte jeden auf den Knien an. So laut, wie es mir mein sterbender Körper erlaubte, bat ich: »Bitte, hilf mir. Bitte, rette uns.« Das Sprechen fiel mir fürchterlich schwer, denn beim Aufwachen war meine Zunge so trocken gewesen, daß sie fest an der Innenseite meiner Backe geklebt hatte.
    Sie hörten mir zu und sahen mich mit durchdringendem Blick an, aber sie standen einfach nur da und lächelten. Ich hatte den Eindruck, daß sie dabei dachten: »Wir sind auch hungrig und durstig, aber dies hier ist deine Erfahrung, und wir unterstützen dich bedingungslos in allem, was du lernen mußt.« Keiner bot mir in irgendeiner Form seine Hilfe an.
    Schritt für Schritt gingen wir weiter. Die Luft stand still, die Welt war völlig unwirtlich. Sie schien sich gegen meine Einmischung zu wehren. Es gab keine Hilfe, keinen Ausweg. Mein Körper war von der Hitze wie betäubt und völlig gefühllos geworden. Ich starb. Ich erkannte die Zeichen dafür, daß ich verdurstete. Hier war er - mein Tod.
    Meine Gedanken sprangen von einer Sache zur nächsten. Ich erinnerte mich an meine Jugend. Mein Vater hatte sein ganzes Leben hart für die Santa-Fe-Eisenbahn geschuftet. Er war so ein schöner Mann gewesen. Und es hatte in meinem ganzen Leben nicht einen Moment gegeben, in dem er nicht für mich dagewesen wäre, um mir Liebe, Unterstützung und Mut zukommen zu lassen. Mutter war immer zu Hause und für

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