Traumfrau mit Fangzähnen
erscheinen. Sie sind geheimnisvoll, und ich liebe Geheimnisse.«
»Dann hoffe ich, dass Sie mich ebenso lieben werden«, sagte ich und warf ihm einen koketten Blick zu. Seine Nähe begann mir den Verstand zu rauben. Diese Begegnung entwickelte sich genauso, wie ich erhofft hatte. Nach einigen hundert Jahren war ich meines Lebens, das sich nicht nur als ewig, sondern auch als ausgesprochen langweilig erwies, überdrüssig geworden. Ganz offensichtlich stand Byron der Sinn nach Verführung, und auch ich konnte nicht verbergen, dass ich darauf aus war. Doch durfte ich zugeben, dass ich mehr wollte? Konnte dieser Mann meinen Geist genauso erregen wie meinen Körper? Würde er sich als so spontan, frevelhaft und amüsant erweisen, dass die Zeit wieder mit Leichtigkeit verstrich? Und – mein Herz zog sich bei dem Gedanken schmerzhaft zusammen – durfte ich davon träumen, aufrichtig zu lieben und geliebt zu werden?
Byrons Worte durchbrachen mein Sinnen. »Meine Kutsche wartet draußen. Sollen wir uns nicht lieber an einen Ort begeben, wo es ein wenig einsamer ist?« Seine Worte waren höflich, doch sein Tonfall war voller lüsterner Anspielung. Mein Körper begann vor sexueller Lust zu brennen, mein Atem beschleunigte sich, und ein süßer Schmerz erfüllte meine Lenden. Doch ich musste achtgeben, diese Zeichen vor Byron zu verbergen. Ich durfte nicht als Frau erscheinen, die einfach zu haben war, denn was ohne Mühen gewonnen wird, ist ohne Wert.
»Halten Sie mich etwa für eine Hure, Sir?«, sagte ich und tat, als sei ich gekränkt.
»Eintausend Mal bitte ich um Entschuldigung, edle Dame«, sagte er in der plötzlichen Erkenntnis, dass er sich verkalkuliert hatte. »Eine Odaliske vielleicht, gerade aus dem Serail entflohen, aber keine gewöhnliche Hure.«
»Sie sind abscheulich, Sir. Ich werde gehen«, sagte ich, hob meine Maske wieder und tat, als wolle ich den Ball verlassen.
Er griff nach meiner Hand und zog mich zurück. »Und wieder entschuldige ich mich. Ich bin vor Verlangen ganz verrückt nach Ihnen. Ich kann nicht mehr klar denken. Bitte verlassen Sie mich nicht. Ich werde mich wie ein Gentleman benehmen, aber ich bitte Sie, ich flehe Sie an,
Lady Webster,
lassen Sie uns diesen öffentlichen Ort fliehen und einen anderen finden, an dem sich Eros frei entfalten kann.«
Ich ließ meine Maske wieder sinken und sah in seine Augen. Meine eigenen blitzten vor Schalk. »Zuerst müssen Sie sich meiner als würdig erweisen, mein Lord«, sagte ich bestimmt. »Bringen Sie mir und Ihnen selbst eine Limonade. Falls Sie es schaffen, mich für sich zu gewinnen, bis ich das Glas ausgetrunken habe, werde ich Ihnen nachgeben. Falls nicht, täte es mir sehr leid.« Ich entzog meine Hand sanft seinem Griff. Doch Byron lächelte bloß und geleitete mich zu einem Sessel aus weißem Brokat, der an einer Wand stand. Die anderen Anwesenden starrten uns an. Ich setzte mich aufrecht wie eine Königin auf den Sessel, erfüllt mit Arroganz und Stolz.
Byron kehrte mit zwei kristallenen Gläsern Limonade zurück. Er setzte sich auf den Stuhl neben mich und reichte mir das kleinere. »Sie betrügen, Sir«, sagte ich lächelnd. »Ich werde absichtlich langsam trinken, um Sie für Ihre List zu bestrafen.«
»Eine Bestrafung aus Ihren zierlichen Händen würde ich nur allzu gern empfangen«, erwiderte er. »Wie kann ich Sie erobern?«
»Ich werde es Ihnen einfach machen. Rezitieren Sie mir ein Gedicht, eines, dass Sie noch nie zuvor in der Gegenwart eines anderen vorgetragen haben. Es müssen wundervolle Worte sein, und Sie müssen mir versprechen, Sie mir zu widmen. Nur mir. Falls mir die Zeilen gefallen, werde ich mit Ihnen gehen.«
»Es gibt nur dieses eine«, sagte er mit einem listigen Grinsen. »Und Sie werden schon bald verloren haben.«
»Ich bin die Richterin, Sie sind der Bittsteller. Fangen Sie also an«, sagte ich gebieterisch. Als er seinen Vortrag begann, sah er unglaublich jung aus – wenn auch nicht unschuldig.
So lasst uns nicht mehr schwärmen
so tief in die Nacht hinein,
wenn auch Gluten uns noch wärmen
und noch hell der Mondenschein.
Denn das Schwert zerschleißt die Scheide,
und der Geist verzehrt die Brust,
und das Herz verlangt nach Weile,
und die Rast bedarf selbst Lust.
Soll die Nacht auch Liebe wärmen,
kommt der Tag auch stets zu schnell,
wollen wir doch nicht weiter schwärmen
im Mondenschein so hell.
»Das war wirklich hübsch«, sagte ich und tippte mit meinem Fächer gegen
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