Traumfrau mit Fangzähnen
absuchen.«
Verdammt, dachte ich. Es ist nicht nur arschkalt da draußen, ich will auch nicht, dass meinem Kleid und meinen Schuhen irgendwas passiert.
Als habe meine Mutter meine Gedanken gelesen, fuhr sie fort: »Am Ende dieses Flures gibt es eine Tür zur Garage. Dort kannst du deine Sachen lassen und unbemerkt nach draußen gelangen. Ein Garagentor ist unverschlossen, damit die Chauffeure rein- und rauskönnen. In der Auffahrt steht eine Reihe von Limousinen. Halt die Augen nach den Fahrern offen. Die meisten sind in der Küche und essen, aber es könnte jemand zum Rauchen draußen sein.«
»
Tatsächlich?
Das klingt nicht sonderlich beruhigend.«
»Daphne, ich glaube fest daran, dass du das schaffst. Wie immer«, erwiderte sie zuckersüß. Und genauso zuckersüß fügte sie hinzu: »Und jetzt beweg deinen Hintern hier raus.«
Mir gefiel das Risiko überhaupt nicht, aber das war nun mal mein Job. Und meine Mutter war mein oberster Boss – was die ganze Situation eher zu einem Alptraum-Szenario als zu der Karriere meiner Träume machte. Ich verließ das Bad und fand problemlos die Tür zur Garage, einem dunklen Raum, in dem bis zu vier Autos Platz hatten. Eine der Türen stand offen, genau wie Mar-Mar gesagt hatte. Es hätte mich nicht überrascht, wenn sie bereits hier gewesen wäre und sie eigenhändig für mich geöffnet hätte.
Ich streifte schnell Kleid und Schuhe ab und stopfte sie unter eine Plane, die an einer Wand auf dem Boden lag. Die Kälte biss in meine nackte Haut. Ich inhalierte sie tief und spürte eine seltsame Energie durch meine Adern fließen. Die rauhe Winterluft wirbelte um mich herum, Lichtblitze flammten auf und bildeten in der Dunkelheit stroboskopähnliche Strahlen. An diesem Punkt machte es mir nichts mehr aus, ob irgendjemand sie bemerkte. Das Tier in mir erwachte zum Leben. Schwingen brachen aus meinem Rücken hervor, meine blasse Haut überzog sich mit glattem Fell, und meine Augen, goldene Bälle, sahen so klar in der Dunkelheit, als wäre es helllichter Tag. Als ich durch das Garagentor nach draußen trat, hörte ich plötzlich eine Stimme auf Spanisch rufen: »
¡Diablo! ¡Ay Dios mio! ¡Diablo!«
Ein livrierter Chauffeur ließ seine Zigarette fallen und rannte zwischen zwei Reihen geparkter Limousinen davon. Ich flog hinter ihm her und trat ihn mit dem Fuß, woraufhin er gegen einen Kotflügel prallte und bewusstlos zu Boden sackte. Ich ergriff seinen schlaffen Körper mit meinen Krallen. Er roch nach Bier. Was für ein Glücksfall, dachte ich. Er ist betrunken. Mit einem kraftvollen Flügelschlag flog ich zu einer Reihe von Hecken und legte ihn vorsichtig auf dem Rasen davor ab. Hoffentlich war er nicht erfroren, bevor ihn jemand fand. Aber ich hatte keine Zeit, mir über seinen Gesundheitszustand Gedanken zu machen.
Ich stieg in den Himmel und flog hoch über das Bradleysche Anwesen. Ich erkannte ein Treibhaus und einige Nebengebäude. Ein Sattelschlepper parkte hinter einem der größeren Gebäude weit entfernt vom Haupthaus. Ein Maschendrahtzaun umgab den mit Wellblech verkleideten flachen Bau, der offenbar recht neu war und in all seiner Hässlichkeit so gar nicht in die Hamptons passte. Aber ein dicker Brocken wie Bradley konnte sich schließlich alles erlauben.
Ich ließ mich im Schatten auf einer Seite des Fertigbaus zu Boden sinken, in der Hoffnung, einen Blick hineinwerfen zu können. Es gab jedoch kein Fenster, und da ich etwa dreimal so groß war wie ein Mensch und eine Flügelspanne von viereinhalb Metern besaß, hätte ich auch nicht durch die Tür gepasst, die wahrscheinlich ohnehin verschlossen war. Ich glitt um die Ecke zu der Stelle, wo der Sattelschlepper parkte. Große Rolltore befanden sich an dieser Wand des Gebäudes, aber sie waren fest verschlossen. Es gab also keinen Weg hinein. Ich nahm jedoch einen süßlichen, chemischen Geruch wahr, und ich hörte das Murmeln von Stimmen im Innern des Gebäudes. Vielleicht war dies das Labor, in dem das Susto hergestellt wurde! Welchen sichereren Ort konnte es geben? Wer würde schon das Grundstück eines der mächtigsten Männer der amerikanischen Regierung durchsuchen? Niemand!
Der Sattelschlepper hatte ein kalifornisches Nummernschild. Seine hintere Tür stand einen Spaltbreit offen. Ich öffnete sie so weit, dass ich mich durch die Öffnung winden und hineinschlüpfen konnte. Das Innere war zum größten Teil leer, doch am vorderen Ende des Anhängers waren eine Reihe Kartons aufgestapelt. Ich glitt
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