Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen
Blutstein. Die Fäulnis wird herausgesaugt und zu Ihnen geschickt. Doch wenn es falsch verbunden ist, dann kommt der Blutstein zu früh ins Spiel – schauen Sie mich an, Celeste!«
Er stieß die Akolythen beiseite und hatte mit ein paar Handgriffen die Reihe von Messinghebeln umgelegt, die den Durchfluss zu den Schläuchen regulierten. Dann wirbelte er mit der Zigarette zwischen den Lippen auf dem Absatz herum, zog ein Glasfläschchen aus seiner Uniformjacke und kippte den reinen Blutstein – Miss Temple registrierte es mit einem schmerzhaften Zucken – in die Kammer unter ihrem Tisch. Doch trotz ihres benebelten Zustands bemerkte Miss Temple, dass die Handlungen des Doktors nicht im Geringsten mit seinen Worten übereinstimmten. Ihr Tisch war für Blutstein gar nicht vorgesehen, und durch die umgelegten Messinghebel floss jetzt reinigende Energie zu ihr anstatt zu Chang.
»Was tun Sie?«, rief die Contessa.
»Genau das, was Sie wollen, verdammt!« Svenson hielt inne. »Fragen Sie Celeste!«
Wie aufs Stichwort bekam Celeste Schaum vor dem Mund, und sie spuckte. Sie wusste nicht, was er beabsichtigte, aber sie wusste, dass sie jetzt an der Reihe war.
»Sie Bastard«, krächzte sie.
Svenson trat zurück und wischte sich die Hände am Umhang eines Akolythen ab. Er winkte den Akolythen mit dem Buch der Contessa zu sich. »Bei nochmaliger Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich mein Buch ebenfalls gereinigt haben möchte …«
Rasch kniete er sich hin und nahm das Buch aus dem Lederkoffer. Als er die Hand nach dem einen Buch ausstreckte, um das andere zu opfern, fiel der Blick des Doktors auf Mahmoud.
»Warten Sie – passen Sie auf den Mann auf!«, rief er.
Mahmoud hatte sich tatsächlich den Schläuchen genähert, und auf den Ausruf des Doktors hin richteten sich sämtliche Karabiner auf seine Brust. Mahmoud schwieg und starrte den Doktor an. Dann ließ er sich mit erhobenen Armen langsam auf die Knie sinken. Svenson räusperte sich, um den Akolythen auf sich aufmerksam zu machen, und reichte ihm ein Buch. »Vorsichtig bitte – und wenn Sie fertig sind, legen Sie es in den Koffer zurück.«
»Zum Teufel mit Ihnen«, knurrte Mahmoud.
»Tut mir leid«, sagte Svenson zu ihm. »Ich kann Ihnen nicht länger helfen. Sie müssen selbst entscheiden. Ich weiß, dass Sie in einer unmöglichen Lage sind.«
Svenson ließ das Buch in den Messingapparat gleiten und erhob sich.
»Milady Lucifera, nun ist alles bereit.«
Miss Temple wusste nicht, was der Doktor getan hatte. Er stand da mit seiner Zigarette – seiner letzten vielleicht – und strich sich mit dünnen Fingern die Haare aus den Augen. Sie würde nicht fliehen. Sobald der Doktor für seine Unverfrorenheit erschossen worden wäre, würde die Contessa es erneut versuchen – oder Miss Temple einfach die Kehle durchschneiden. Doch dass er etwas getan hatte, dass er alle Möglichkeiten ausgeschöpft hatte, berührte sie in ihrer makabren Isolation wie ein Seil, das in einen dunklen Brunnen hinabgelassen wurde. Sie würde nie heraufgezogen werden, aber schon ein kurzer Blick auf eine Welt jenseits ihres Schicksals machte ihr das Herz leicht.
Sie hatte keine Angst. Sie war erschöpft von der Fäulnis und dem Fieber – ein solches Leben wünschte sie sich nicht. Sie wollte auch nicht ohne Chang leben, doch Chang war tot. Und dass sie vielleicht zusammen starben, ohne dass er sie zurückgewiesen hatte – denn sie konnte sich nicht vorstellen, dass er ihre Gefühle erwiderte –, war womöglich ein ungewollter Gewinn trotz des Sieges der Contessa. Miss Temple lächelte, und Galle brannte ihr in den Mundwinkeln.
Die Contessa ließ eine Hand über den Messingknöpfen schweben, welche die Wannen kontrollierten, und hatte die andere auf einem größeren Knopf vom Umfang eines Apfels in der Mitte des Schaltpults liegen.
»Sie müssen es gleichzeitig tun«, sagte Doktor Svenson. »Sekundärkabel übertragen die restlichen Metalle. Die Minerale werden in der richtigen Reihenfolge weitergeleitet und härten die Inkarnation. Die Identitätsinfusion strömt direkt zu Chang. Die faulige Essenz wird herausgelöst und fließt zu Miss Temple. Verstehen Sie? Sind Sie bereit?«
Die Contessa wandte sich an die Wachen in den grünen Mänteln. »Wenn er etwas manipuliert hat, erschießt ihn. Haltet euch sowieso bereit, jeden zu erschießen. Das Überleben eures Herrn steht auf dem Spiel. Doktor?«
Svenson nickte, sah zu Mahmoud und trat dann zurück.
Die
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