Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen
Himmel, Changs Wunde und Ihr leichtsinniges …«
»Was hat er gesehen? Was hat er Ihnen erzählt?«
»Nichts. Wir haben nicht gesprochen. Er wollte nicht sprechen. Sobald die Gefahr vorüber war …«
»Sie hatte einen Riss«, sagte das Mädchen, als wäre es ein Beweis für ihrer aller Dummheit. » Natürlich ist er aufgewacht.«
Svenson half Miss Temple beim Aufsetzen. »Ich werde Sie nicht schelten. Sie leben, allein das zählt.«
Sie blickte an ihm vorbei. Chang lag ausgestreckt auf dem Fußboden, die Hände gefaltet wie eine Statue auf dem Sarkophag eines Königs.
»Sie haben etwas gesagt, als Sie aufgewacht sind«, sagte Svenson.
»Die rote Glaskugel ist etwas, das der Comte zuvor nicht gemacht hat.« Miss Temple stieß gurgelnd auf. »Aber ›Fleisch aus Träumen‹ war etwas, das er zu Lydia gesagt hat – es gibt einen Grund, warum es mir jetzt eingefallen ist.«
Svenson seufzte. Sein Gesicht war sorgenvoll. »In der Alchemie geht es um Äquivalente – um das Ausgleichen eines Elements mit einem anderen, Transformation durch stufenweisen Austausch. Die nächstliegende Analogie wäre symbolische Mathematik. Der Comte tauscht chemische Bestandteile mit lebenden Körpern aus. Doch die Sprache funktioniert wie ein Code – somit hat ein Ausdruck wie ›Fleisch aus Träumen‹ ein entsprechendes entgegengesetztes Konzept …«
»Das Fleisch des Lebens«, sagte Francesca, während sie auf einem Daumennagel kaute.
»Genau«, sagte Svenson. »Und das verrät uns, wie er denkt – dass das Gegenteil von Leben nicht, wie die meisten glauben, Tod, sondern Traum ist.«
Miss Temple runzelte missbilligend die Stirn. »Lydias Schwangerschaft. Das Fleisch der Träume wird geboren aus der Asche vom Fleisch des Lebens.«
»Zu welchem Zweck?«
»Paradies.«
Svenson schnaubte. »Was kann dieses Wort diesem Mann wohl bedeuten?«
Miss Temple war sich bewusst, dass Francesca sie beobachtete. Wie viele Stunden war sie bereits allein? Auf Francescas Armen zeigten sich Spuren von Ruß … oder waren es Prellungen? Miss Temple spürte ein Stechen in der Kehle.
»Kann ich vielleicht irgendwo … ausspucken?«
»Ein Nachttopf, hier – und irgendwo gibt es auch etwas zu essen, und Wasser …« Der Doktor verstummte mitfühlend, als sie sich über den Nachttopf beugte und loslegte.
»Wir haben keine Zeit.« Die Stimme des Mädchens war ein Winseln. »Wir haben auf sie gewartet. Jetzt müssen wir gehen .«
Miss Temple erwiderte Francescas strafenden Blick und hielt ihm stand, bis das Mädchen wegsah. Sie wartete, dass Francesca sie erneut anschaute. Als sie es tat und die Lippen dabei fest zusammenpresste, schaute Miss Temple noch finsterer drein.
»Ich habe Eloise nicht sterben lassen.«
»Celeste – das Kind ist kaum verantwortlich …«
»Sie muss wissen, was richtig ist.«
»Das weiß ich genau«, murmelte Francesca Trapping vor sich hin.
Der Nachttopf machte Miss Temple bewusst, wie voll ihre Blase war. Der Raum bot keine Privatsphäre außer einer notdürftigen halbhohen Barriere aus Schränken, hinter die sie sich kauern müsste, wobei Svenson kaum einen Meter entfernt wäre und alles hören würde. Sie ergriff den Nachttopf und ging zur Tür. Unterwegs hakte sie Francesca Trapping impulsiv unter. Das Kind quiekte protestierend.
»Wir sind gleich zurück«, rief Miss Temple Svenson zu. »Mädchen gemeinsam, Sie wissen schon.«
Svenson öffnete den Mund, hustete stattdessen und zeigte in Changs Richtung.
»Ja … während Sie … jawohl …«
Miss Temple zog das sich windende Mädchen in den Flur. Mit einem Klong ließ sie den Nachttopf fallen. »Soll ich zuerst oder willst du?«
»Ich muss überhaupt nicht.«
Weil sie das Gefühl hatte, ein Beispiel geben zu müssen, zog Miss Temple widerstrebend ihr Kleid hoch und setzte sich, wobei sie dem Mädchen zu verstehen gab, es solle sich jegliche spöttische Bemerkung verkneifen. Aber Francesca starrte sie nur an. Da sie die Stille nicht mochte, die nur durch das Plätschern ihres Urins unterbrochen wurde, räusperte sich Miss Temple.
»Wir haben nach dir gesucht. Du solltest wissen, dass der Doktor in Eloise sehr verliebt war und ganz besonders um sie trauert. Wie ich auch. Wir trauern auch um deine Mutter und deinen Vater und deinen Onkel – ja, sogar um ihn, weil sein Tod dir bestimmt wehgetan hat. Deinen Brüdern geht es gut.«
»Ich weiß, wie es meinen Brüdern geht.«
»Hast du sie besucht?«
Das Mädchen blickte weg.
»Nein. Siehst du? Du
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