Traumfresser 3 - Die Alchemie des Bösen
Erinnerungen des Comte wachzurütteln – um herauszufinden, wie ich Ihnen helfen kann.«
»Und sich damit selbst in Gefahr gebracht.«
»Aber ich habe entdeckt …«
»Was wir bereits wussten. Vandaariff hat aus verschiedenen Metallen Glas hergestellt. Die rote Kugel ist auf dem großen Gemälde prominent vertreten und somit in seiner persönlichen Kosmologie von großer Bedeutung. Ein alchemistischer Paradiesapfel.«
»Aber Sie …«
»Ja, ich habe einen Fremdkörper neben meiner Wirbelsäule. Offensichtlich.«
»Er könnte Sie umbringen!«
»Noch hat er es nicht getan.«
»Es war die Alchemie des Comte, die Lydia Vandaariff getötet hat.«
»Sie wurde von der Contessa getötet.«
»Aber sie wäre sowieso gestorben – das wissen Sie genau! Ihm ging es nur um das Ding in ihr – seine blaue Abscheulichkeit …«
»Wollen Sie behaupten, ich trage ein Kind in mir?«
»Warum wollen Sie mir nicht sagen, was Sie gesehen haben?«
Sie hatte die Stimme erhoben, doch anstatt es ihr gleichzutun, antwortete Chang leise: »Ich weiß es nicht, Celeste. Keine Erinnerung, kein Ort, keine Person.«
»Es ist ein Bestandteil«, sagte Svenson. »Keiner von Ihnen hat die Erfahrung als Erinnerung beschrieben – und Sie haben beide Ihren Verstand bewahrt. Logisch gesehen ist das rote Glas also kein Mittel, um etwas aufzunehmen, sondern um es zu verändern. Ist das richtig, Francesca? Du hast gesehen, wie die Contessa die Kugel aus rotem Glas hergestellt hat, nicht wahr?«
»Sie war sehr wütend. Der Mann hat einen Fehler gemacht.«
»Mr. Sullivar«, sagte Chang. »In der Glashütte.«
»Er hat den Ofen zu stark geschürt. Die Kugel hat einen Sprung bekommen und nicht richtig funktioniert.«
»Hat sie noch eine angefertigt?«, fragte Svenson.
»Das brauchte sie nicht.« Miss Temple zuckte zusammen, sowohl wegen der abgestorbenen Zähne des Mädchens als auch wegen des hellen Schimmers in ihren Augen.
Chang bestand darauf, als Erster zu gehen, mit der Laterne. Sobald er unten war, hielt er sie hoch, um den anderen den Abstieg zu erleichtern. Miss Temple raffte ihr Kleid und zwängte sich durch die Lukenöffnung, wobei sie sich bewusst war, dass Chang im Licht ihre bestrumpften Waden zu sehen bekäme – mehr sogar, je nachdem, wie sie die Unterröcke raffte. Sie hielt beim Klettern inne, scheinbar um sich ihrer Unterarmtasche zu vergewissern, in Wahrheit jedoch, damit sie sich länger präsentieren konnte. Sie stellte sich Changs Blick vor, wie er von ihren Beinen zu ihrem Gesicht wanderte, während sie unten anlangte, und sie gegenseitig ihre Absichten zu erraten versuchten. Aber sie verlor den Mut, blickte zu der gemauerten Wand und wandte sich erst wieder Chang zu, als er ihr die Hand reichte. Sie nahm sie und sprang auf den Tunnelboden. Chang rief Svenson zu, das Kind herunterzuschicken.
Der Tunnel bestand aus frisch gemauerten Backsteinen, noch eine heimliche Baumaßnahme seitens Harald Crabbés und Roger Bascombes. Miss Temple ging hinter Chang her und war froh, dass Svenson Francescas Hand hielt, wobei sie sich fragte, wann ihr Verlobter, Bascombe, das letzte Mal durch diese Gänge geschritten war. Hatte er sie da noch immer geliebt? War er je von hier aus in ihre Arme gekommen, umso erregter, weil er ein Geheimnis bewahrte?
Über Roger Bascombe zu grübeln kam Miss Temple dumm vor. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit auf Chang und widerstand dem Impuls, ihm mit einem Finger über den Rücken zu streichen. Sie erschrak, als etwas sie an der Schulter berührte. Svenson wies auf ein zunehmendes Dröhnen in den Wänden hin.
»Die Turbinen. Wir sind unter der Brücke.«
Miss Temple nickte ohne großes Interesse. Sie hatte das Geräusch für den Fluss selbst gehalten, der im Dunkeln vorüberströmte, eine riesige Schlange, die sich über die Erde schleppte.
Die Stahltreppe hallte unter ihren Schritten wider, und das Geräusch löste ein wellenartiges Flirren über ihren Köpfen aus.
»Fledermäuse.« Chang richtete die Laterne auf eine Nische aus diagonal verspannten Trägern. Die kleinen Tiere mit ihren großen Ohren und kleinen Zähnen, die von hervorschießenden Zungen poliert wurden, hingen in Reihen da. Miss Temple hatte schon häufig Fledermäuse gesehen, wie sie in der Dämmerung über die Terrasse gehuscht waren, das erschreckte sie nicht. Sie mochte ihre kleinen Fuchsgesichter und lächelte, als sie diese seltsamen Dinger so schnell umherflitzen sah.
Francesca blickte durch die Öffnungen in der
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