Traumgirl auf Hawaii
die Beine an und schlang die Arme um die Knie. Sie hatte gerade noch einmal seine Stirn berührt, da sie damit rechnete, dass er Fieber bekommen würde. Er war blass und schwitzte, und sein Sehvermögen wurde immer schlechter. Sein Bein schwoll an, und sein Mund trocknete aus, obwohl sie ihn unermüdlich zwang, Wasser zu trinken. Sie musste ihn unbedingt zur Hütte hinaufbringen, wo sie ihn besser versorgen konnte als mit einer zur Neige gehenden Flasche Aspirin, und sie musste es tun, bevor er überhaupt keine Kraft mehr besaß.
“Ethan”, sagte sie.
Er machte die Augen nicht auf. “Guten Morgen, Lilly.”
“Nimm noch ein paar Aspirintabletten”, bat sie.
Er grinste. “Ich habe schon so viele genommen, dass ich mindestens einen Monat lang keine Kopfschmerzen mehr haben werde. Erzähl mir lieber von deiner Mutter.”
“Von meiner Mutter?”, wiederholte sie erstaunt.
“Klar. Du hast doch eine, oder?”
“Natürlich. Aber wieso willst du etwas über sie wissen?”
“Meinen Spruch, dass jemand, der eine Frau wie dich zur Welt gebracht hat, ein interessanter Mensch sein muss, willst du sicher nicht hören.”
Lilly stöhnte. “Ich hoffe, das bedeutet nicht, dass dein Gedächtnis zurückkehrt. Denn falls das dein wahres Ich ist, verschwinde ich.”
“Nein, das würdest du nicht tun.”
“Ach, und weshalb?”
“Weil du die Älteste bist. Und die Älteste drückt sich nie vor ihrer Verantwortung.”
Sie musste lachen. “Woher willst du das als Einzelkind wissen?”
Er schwieg und runzelte die Stirn. Dieses Spiel hatten sie schon den ganzen Tag gespielt. Über eine harmlose Unterhaltung waren sie behutsam in seine Vergangenheit vorgedrungen. Doch nicht einziges Mal hatte er sich an etwas erinnert.
Diesmal wurde er ernst. Lilly strich ihm die Haare aus der Stirn, eine Geste, die sie unbeabsichtigt von ihrer Mutter übernommen hatte. “Ich werde dich hier nicht allein lassen”, sagte sie. “Ich werde dich mitnehmen.”
Er nickte schwach und machte das unverletzte Auge auf. “Das weiß ich.”
Sie wusste nicht, was sie noch tun sollte. Es war dunkel, es wurde kühler, und sie war dabei, sich in einen verheirateten Mann zu verlieben.
“Lilly?”
Sie sah auf ihn herunter. “Ja?”
“Habe ich Kinder?”
“Nein”, antwortete sie und berührte wieder seine Stirn.
Er seufzte. “Das dachte ich mir.” Nach einer Weile fragte er: “Wieso schläfst du nicht ein wenig?”
“Ja, das sollte ich wohl.”
Er sagte nichts mehr, zog nur den Arm unter der knappen Decke hervor und breitete ihn aus. Sie merkte, wie müde sie war. Und frustriert und traurig. Es konnte nicht schaden, sich ein wenig auf die altmodische Art aufzuwärmen. Schließlich war Ethan ohnehin nicht imstande, etwas zu tun, selbst wenn er wollte.
Daher nahm sie seine Einladung an und schmiegte sich mit Rücksicht auf seine verletzten Rippen ganz vorsichtig an ihn. Sie legte die Arme um ihn, damit er ihre Wärme abbekam, und fühlte das gleichmäßige Pochen seines Herzens. Die nächste Stunde verbrachte sie damit, die Erregung zu ignorieren, die seine Nähe hervorrief.
Sie fing gerade an, sich zu entspannen, als Ethan erstarrte. Lilly schlug die Augen auf und sah die mondbeschienenen Palmblätter und den Wasserfall.
“Was ist denn …”
Noch bevor sie die Worte ganz herausbekam, legte er ihr einen Finger auf die Lippen, riss mit einem Ruck das schützende Dach herunter und rollte sich auf Lilly. “Ethan”, flüsterte sie heiser.
“Ich habe eine gute Nachricht für dich”, flüsterte er ihr ins Ohr, was sie erschauern ließ. “Du hast Louise doch nicht umgebracht.”
Und dann hörte sie es. Schritte. Eine geflüsterte Auseinandersetzung in unmittelbarer Nähe.
“Kannst du mir vielleicht verraten, was wir hier im Dunkeln finden sollen?”, wollte Louise wissen.
“Es ist nicht dunkel”, widersprach Tick ihr. “Der Mond scheint.”
“Das macht es auch sehr viel leichter, jemanden zu entdecken, der sich im Gebüsch versteckt. He, ich glaube, ich sehe sie dort drüben. Nein, dort. Sie baden nackt im Bach, was ich übrigens jetzt auch gern täte.”
“Bist du diese Woche nicht genug im Wasser gewesen?”, bemerkte ihr Komplize trocken.
Unter Ethans Gewicht und dem der provisorischen Unterkunft bekam Lilly kaum noch Luft zum Atmen. Trotzdem war ihr zum Lachen zumute. Sie hatte also doch niemanden getötet, und dieser Niemand war noch immer ziemlich dumm.
“Dafür konnte ich nichts”, erwiderte Louise
Weitere Kostenlose Bücher