Traumjaeger und Goldpfote
liest, ich werde es vor Gericht natürlich bestreiten, Sie brauchen die Anwälte gar nicht erst von der Leine zu lassen.) Jedenfalls glaube ich nicht, dass ich diese armen, leidenden Menschen schlechter beraten habe als ein Psychiater. Hin und wieder erzählte ich ihnen von meinen Jobs, woraufhin zumindest ein paar mit ihrem eigenen Leben sehr viel zufriedener waren.
Während ich also Schuhe verkaufte, Soldatenhände zeichnete (vergessen Sie es, das ist eine lange Geschichte), Versicherungen an den Mann brachte, Zeitungen austrug und Fliesen legte, machte ich nebenher immer auch etwas Künstlerisches. Ich musizierte lange Zeit in einer Band, spielte Theater, arbeitete als Karikaturistund Illustrator und moderierte die ganzen 1980er Jahre hindurch eine Rundfunksendung. Doch mit nichts von dem verdiente ich nennenswert Geld und stand allmählich vor der Frage, ob ich nicht irgendwann doch das College besuchen und mir eine richtige Arbeit suchen sollte. Ich fürchte, dass ich dafür leider nicht geschaffen gewesen wäre. Zunächst einmal bin ich allergisch gegen Anzüge und Krawatten, außerdem komme ich morgens ohne einen relativ starken Elektroschock nicht aus dem Bett. Und wenn ich Anweisungen von dummen Zeitgenossen entgegennehmen muss, schlägt sich das bei mir in akuten Depressionen nieder.
Darum beschloss ich, dass es an der Zeit wäre, mir eine neue brotlose künstlerische Tätigkeit zu suchen.
Mich wundert, dass ich so lange brauchte, bis ich das Schreiben für mich entdeckte. Ich stamme aus einer der belesensten Familien, die man sich vorstellen kann, und Lesen gehörte stets zu den wichtigsten Tätigkeiten meines Lebens. Ich hatte mein Leben lang kürzere Texte verfasst, Reportagen an der Schule, Songtexte, verschiedene Parodien zur Erheiterung meiner Freunde, aber ernsthaft zu schreiben, daran hatte ich nie gedacht. Ich bin nicht mehr sicher, weshalb ich meine Meinung änderte; möglicherweise allein wegen der Aussicht, dass Johnny der Koch noch ein Jahrzehnt hinter mir herlaufen und diesen unsäglichen Song anstimmen könnte.
Als Erstes schrieb ich ein nicht ganz so gelungenes Science-Fiction-Drehbuch mit dem Titel »Die traurigen Maschinen«. Den Titel finde ich immer noch recht gelungen, und der Protagonist war ein frühes Vorbild von Simon aus meinen »Osten Ard«-Büchern, aber ansonsten ist es eher besser, dass ich nie versucht habe, es jemandem zum Kauf anzubieten – oder es auch nur jemandem zu zeigen, der mir nicht in inniger Freundschaft verbunden gewesen wäre.
Ich entschied, dass ich bereit wäre, mich an einem Roman zu versuchen – ich habe keine Ahnung, wie ich auf den Gedankenkam, denke aber, dass das Wort »chuzpe« dabei eine gewisse Rolle spielt -, und die Gedanken über Katzen, die ich mir gemacht hatte, schienen mir dafür ein guter Ausgangspunkt zu sein. Ich war mit Tiergeschichten und Fantasy groß geworden, also war der Ansatz nicht so abwegig. Später sagten mir viele Leute, wie klug es gewesen war, über Katzen zu schreiben – die sind ja bei Fantasy-Lesern so beliebt, weißt du -, aber ich darf ruhigen Gewissens sagen, dass ich daran überhaupt keinen Gedanken verschwendete. Es lag einfach an den Umständen: Hätte meine Ex-Frau Gürteltiere gehalten, dann hätte ich vermutlich letztendlich so etwas wie
Traumjäger und Goldrüssel
zu Papier gebracht.
Mindestens die erste Hälfte des Buches habe ich auf einer Schreibmaschine mit kursivem Schriftbild getippt (ja, das sah komisch aus, war aber immer noch besser als mit der Hand zu schreiben), die ich mir nachts auf den Küchentisch stellte, wenn alle anderen Jobs getan waren (meistens hatte ich mehr als einen). Ich bin nicht mehr sicher, wie lange ich insgesamt daran geschrieben habe, aber es müssen an die zwei Jahre gewesen sein. Ich versuchte, das Verhalten von Katzen aufrichtig zu beschreiben, aber es wurde ein richtiger Fantasy-Roman – es sind sogar ein paar
Herr der Ringe
-Witze darin enthalten, zum Beispiel die Audienz bei Königin Sonnenfell, eine kleine Parodie auf die Begegnung der Hobbits mit Galadriel. Als ich fertig war, ließ ich das Manuskript eine ganze Weile liegen; nicht etwa, weil ich es schlecht fand, sondern einfach nur, weil ich nicht wusste, wie es jetzt weitergehen sollte. Das Buch am Küchentisch zu schreiben, das kam mir wie abendliches Joggen vor. Es einem Verlag verkaufen zu wollen, schien mir plötzlich, als wollte ich an den Olympischen Spielen teilnehmen. Immerhin stellte ich eine Liste von
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