Traumjaeger und Goldpfote
hinunter.
Später am Nachmittag, als Raschkralle endlich eingeschlafen war, saß Fritti da und beobachtete die Wolken, die sich über den niedrigen Himmel schoben.
Acht Tage waren in den Hügellanden vergangen, seit das Paar die Säume der Alten Wälder verlassen hatte. Tiefklars Auge war zur vollen Größe gewachsen und hatte begonnen, sich zu schließen. Von den Kuppen der höheren Hügel konnten sie nun in der Entfernung ein mattes Schimmern ausmachen, das sich wie ein angelaufenes Band aus Metall durch die Kuppen des fernen Landes schlängelte.
Fritti war froh darüber. Er war ziemlich sicher, dass dies der Schwanzwende-Fluss war, und Zitterkralle hatte gesagt, er bezeichne die Hälfte ihres Reiseweges zum Hof.
Mit ein wenig mehr Eifer marschierten sie vorwärts, doch zuerst schien sich die Entfernung nicht sehr rasch zu verringern. Der Fluss blieb bloß ein Schimmer am Horizont. Die Hügelländer begannen gleichwohl zum Fluss hin abzufallen, und die Baumgruppen, welche die Landschaft ringsum sprenkelten, lagen weiter auseinander.
In ihrer dreizehnten Nacht nach ihrem Aufbruch aus dem Wald vernahmen sie endlich das gedämpfte Murmeln des Flusses in den Wiesen. Es war ein wohltuendes Geräusch – aus dieser Entfernung erinnerte es sehr an das des Baches, der nach der Schneeschmelze im Frühling hinter dem Mauertreff entlangfloss. Bevor das Paar in dieser Nacht schlafen ging, spielte es Schreiten-und-Springen, und Fritti lachte zum ersten Mal, seit sie sich von den Erst-Gehern getrennt hatten.
Am Morgen des fünfzehnten Tages auf den Sanftlauf-Hügeln gelangten sie in das flache Becken und zum Flussufer. Im Gras hing der Nebel, und die Luft schmeckte nach baldigem Regen. Als sie sich dem Fluss näherten, der zwischen hohen Ufern dahinfloss, kam es ihnen vor, als gerieten sie von einer Hochfläche in eine Welt des Wassers und der kühlen Luft. Die Kraft und Lebendigkeit des Flusses, der rauschte und sprudelte, waren gänzlich anders als die stille Verschwiegenheit der Waldbäche ihrer Heimat. Die Schwanzwende spritzte und lachte, riss Weidenzweige und Grasstengel in ihre Strömung, um sie in stillen Wirbeln am Ufer entlangtrudeln zu lassen, bis sie gemächlich dahintrieben. Dann spielte der Fluss Katz und Maus mit ihnen, zog sie in die Strömung zurück und trug sie davon.
Fritti und Raschkralle spielten am Ufer, bis die Sonne über ihren Köpfen in den Himmel stieg, durch den Nebel leuchtete und aus der dahineilenden Wasserfläche glitzernde Funken schlug. Abwechselnd haschten sie nach Stöckchen, die nahe am Flussufer vorbeischwammen – sie ließen ihre Pfoten vorschnellen, und jeder versuchte Zweige zu erwischen, die weiter vom Ufer entfernt waren. Erst als Raschkralle in einem Augenblick hemmungsloser Tollheit beinahe ins Wasser fiel – Fritti konnte ihn in letzter Sekunde beim Genick packen –, begann Fritti sich dem Problem zuzuwenden, auf welche Weise sie die breite, kraftvolle Schwanzwende überqueren sollten.
Sie wanderten flussaufwärts weiter, erkundeten die Buchten und Zuflüsse, und das Geräusch des Wassers wurde greller und heftiger. Hinter einer Biegung im Flusslauf entdeckten sie die Ursache. Hier verengte sich die Schwanzwende ein wenig und schoss an ein paar Felsen vorbei, die wie abgebrochene Zähne aufrecht im schäumenden Wasser standen. Als sie näher kamen, bewegte sich die Spitze eines der Felsen ein wenig, dann wandte sie sich um, und große Augen starrten sie an.
Es war Grillenfänger, der wie eine Eule mitten im Stromhockte. Die Schwanzwende rauschte und zischte rings um die verrückte Katze. Grillenfänger starrte die zwei Gefährten einen Augenblick an, dann kam er auf die Pfoten, und am ganzen Körper sträubte sich sein Fell zu steifen Stacheln. Ohne ein Wort holte er kurz Schwung und sprang auf einen zweiten Felsen, der weiter vom Ufer entfernt war. Er hielt nach dem nächsten sicheren Fleck für den Sprung Ausschau, als Fritti ihn über das Rauschen der Stromschnellen hinweg anrief.
»Grillenfänger! Bist du’s wirklich? Hier sind Traumjäger und Raschkralle! Erinnerst du dich an uns?«
Grillenfänger wandte sich um und blickte gleichmütig zu ihnen zurück.
»Bitte, komm zurück! Grillenfänger!« Fritti schrie lauter. »Bitte, komm ans Ufer zurück!«
Grillenfänger zögerte kurz, dann sprang er auf den Stein zurück, den er gerade verlassen hatte. Die zwei Freunde beobachteten, wie er den mühseligen Rückweg über den Fluss bewältigte und schließlich
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