Traumjaeger und Goldpfote
hat euch von weither geschickt, um mich zu strafen. Ich sagte, ich wollte euch Ratschläge geben, war’s nicht so? Sehr gut. Hört genau zu, denn ich will euch mehr mitteilen als bloß den Pfad zum Hof der Königin.«
Der Lehnsmann drehte sich um und blickte hinaus über die wellige Landschaft. »Nun also, vor euch erstrecken sich die Sanftlauf-Hügel. Wohin eure Nasen jetzt zeigen, dorthin geht. Haltet euch so, dass eure linke Flanke immer dem Sonnenuntergang zugekehrt ist, und ihr könnt nicht fehlgehen. Wenn ihr den Schwanzwende-Fluss überquert habt, gelangt ihr in die Sonnen-Nest-Ebene und habt die Hälfte eures Weges zurückgelegt. Haltet eure Nasen
Ue’a
-wärts gerichtet, und ihr werdet schließlich bemerken, dass die Ebene ein wenig ansteigt. Wenn ihr die Schnurrwisper erreicht, setzt auf das andere Ufer über und geht stromaufwärts bis zu den Ausläufern des Wurzelwaldes. Ihr werdet schon merken, wenn ihr sie erreicht habt. Kannst du das alles behalten, Traumjäger?«
Fritti bejahte.
»Ich werde ihm helfen, Herr«, sagte Raschkralle. Jedermann versicherte ihm, er sei überzeugt, dass er das ganz gewiss tun würde, und die Erst-Geher versammelten sich um die beiden, um ihnen Lebewohl zu sagen. Sogar Winkschwanz kam herbei und tauschte mit Fritti und Raschkralle den Nasengruß.
Während sein Gefährte sich zum Abschied noch einmal mit Balger raufte, stand Schimmerauge unvermittelt neben Fritti.
»Ich möchte ein
Sehen
für dich versuchen«, sagte die weiße Katze. »Ich spüre, dass Zukünftiges in der Luft liegt. Habe keine Angst.«
Fritti war nicht sicher, ob er wollte, was Schimmerauge auch immer anbot, doch es war für Einwände zu spät. Der Weitspürer hatte bereits die Nase gekräuselt und fuhr schnüffelnd an Frittis Rückgrat entlang bis zur Schwanzspitze. Dann ließ sich die weiße Katze auf ihren Hinterbacken nieder und schloss die Augen.
Als sich die Augen wieder öffneten, sah Traumjäger voller Schrecken, dass sich ihre milchig-blaue Farbe in ein tiefes Blau-Schwarz verwandelt hatte. Schimmerauges Maul stand offen, und eine hauchende Stimme flüsterte daraus: »… die Großen schreien auf in der Nacht … etwas bewegt sich in der Erde … die Sehnsucht des Herzens wird gefunden … an einem unerwarteten Ort …«
Der Weitspürer schüttelte den Kopf, als belästigte ihn ein lautes Geräusch. Dann fuhr die Flüsterstimme fort: »… jedermann flieht vor dem Bären, doch … manchmal hat der Bär selbst … böse Träume …« Er machte eine kurze Pause, dann folgten die Worte: »… wenn du an dunklem Ort gefangen bist, wähle deine Freunde mit Bedacht … oder wähle deine Feinde …«
Nach einem weiteren Augenblick der Stille schloss Schimmerauge die Augen erneut, und als er seine Lider hob, hatte sein Blick wieder den tiefblauen Glanz eines Sommerhimmels. Er neigte den Kopf einmal vor dem erschütterten Traumjäger. »Mögest du einen glücklichen Tanz haben, junger Jäger«, sagte er und wandte sich ab. Fritti saß grübelnd über dem rätselhaften Lied, das Schimmerauge für ihn gesungen hatte, als Zitterkralle herbeikam, den stampfenden Hängebauch an seiner Seite.
»Bevor wir dir eine gute Reise wünschen, Freund Traumjäger, will ich dir ein Wort sagen, oder besser einen Rat geben«, sagteder Lehnsmann. »Der Hof wird vielleicht nicht so sein, wie du es erwartet hast. Ich hoffe, du verstehst. Wir Erst-Geher glauben, dass es unnatürlich ist und dem Willen unseres Herrn Tangalur Feuertatze zuwiderläuft, wenn das Volk immer auf so engem Raum zusammenlebt. Im Übrigen hat der Ort in jüngster Zeit begonnen, nach
M’an
zu stinken.«
»Du meinst, dass dort Große in der Nähe wohnen?«, fragte Fritti überrascht.
»Nein, natürlich nicht. Nur dass der üble, ansteckende Geruch unserer einstigen Diener selbst bis zum Sitz Harars gedrungen ist. Doch ich schätze, es ist nicht anständig, dich ungünstig zu beeinflussen. Wir Erst-Geher sind Einzelgänger, und viele am Hof der Königin finden unsere Meinung übertrieben. Du wirst ein Jäger sein und deinen eigenen Pfad finden müssen.« Der schwarze Anführer sah zu Boden.
Hängebauch mischte sich ein. »Der junge Prinz Zaungänger ist jedenfalls nicht so übel. Wenn du einen Freund brauchst, halte dich an ihn. Ein bisschen stürmisch, aber eine rechtschaffene Katze.«
Zitterkralle blickte hoch und grinste, seine scharfen Zähne bleckend. »Komm, wir haben dich mit so vielen klugen Worten belastet, dass eine ganze Schar von
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