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Traumjaeger und Goldpfote

Traumjaeger und Goldpfote

Titel: Traumjaeger und Goldpfote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Sonnen-Nest-Ebene genannt wird. Nirgendwo sehe ich die Spur eines Nestes. Kannst du mir das erklären, Grillenfänger?«
    Dieser richtete seine traurigen Augen auf ihn und kratzte geistesabwesend ein schmutziges Fellknäuel aus seinem Gesicht. »Zufällig, du kleiner Mäusekauer, kann ich das. Ich kann’s wirklich.«
    »Schön, dann erzähl es uns, bitte! Ist es ein Lied?«
    »Nein, nein, kein Lied, obgleich es eines sein könnte, wie ich meine.« Grillenfänger schüttelte traurig den Kopf. »Es ist nur etwas, das ich erzählen hörte, als ich ein Kätzchen war und weniger Augen hinter mir hatte als dieser kleine Springinsfeld hier.«
    Fritti erkannte, dass sie nichts über Grillenfängers Vergangenheit wussten. Er nahm sich vor, später zu versuchen, den verrückten, schwermütigen Wanderer auf dieses Thema zu bringen.
    »Jene, jene, die es wissen müssen, sagen«, begann Grillenfänger feierlich, »dass, als Tiefklar Urmutter zum ersten Mal ihre strahlenden Augen öffnete, überall Finsternis war. Natürlich hatte die Urmutter die schärfsten Augen, die man sich denken kann, doch wenn sie auch sehen konnte, so spürte sie eine durchdringende, zähneklappernde Kälte. Also grübelte sie und grübelte, denn keine Katze, selbst die größte, leidet gern Kälte.
    Nach einer Weile kam ihr ein Gedanke. Sie rieb ihre Pfoten aneinander – ihre großen, schwarzen Pfoten –, und sie rieb sie so heftig, dass ein Funken Himmelsfeuer aus ihnen sprang. Sie fing diesen Funken und legte sich auf die Erde.
    Dort lag sie, hegte ihn und schützte ihn mit dem Fell ihres Leibes, und er wuchs. Der Funken versuchte wegzurennen, als er größer wurde, doch jedes Mal griff die Urmutter nach ihm, fing ihn und rollte ihn über die Erde, für die er geschaffen worden war. So wurde er größer und wuchs und wurde immer prächtiger, und wenn sie ihn fing und rollen ließ, wurde das Land flach unter ihm. Größer und runder und heller wurde er, bis seine Gegenwart in der Welt all die ersten Tiere erwärmte.
    Alle Lebewesen kamen und versammelten sich um die junge Sonne, stießen und drängten einander, um ihr nahe zu sein …und kein Tier wollte mehr etwas anderes tun, als dort in der Wärme zu liegen und zu schwelgen, bis die ganze Welt leer und leblos war, ausgenommen ein Fleck auf der weiten, flachen Ebene. Darüber wurde Urmutter Tiefklar ärgerlich wie böses Wetter, und sie warf die Sonne in den Himmel hinauf, von wo sie alle Welt gleichermaßen beschien, und die Bewohner der Erde zerstreuten sich wieder. Dort am Himmel scheint die Sonne noch immer. Wenn aber die Sonne gebrannt und gewärmt hat, so gut sie kann, und müde zu werden beginnt, nimmt Urmutter sie an ihre pelzige Brust, wo sie neue Kraft sammelt. Solange sie die Sonne dort hält, so lange ist die Welt kalt, und wir nennen diese Zeit Winter. Und nun«, schloss Grillenfänger, »überqueren wir ebendiesen Fleck, wo die Urmutter die junge Sonne wie in einem Nest gehegt hat, und daher der Name. Ist das nicht so einfach und einleuchtend wie eine Maus zum Abendessen?«
    Fritti und Raschkralle gaben ihm recht.
    Am nächsten Tag, kurz vor der Stunde der Steigenden Dämmerung, als die Sonne, von der die verrückte Katze gesprochen hatte, in die westlichen Wolken sank, wurde Grillenfänger abermals von einem seiner Anfälle gepackt.
    Die Gesellschaft bewegte sich durch ein brusthohes, wogendes Grasmeer, als Grillenfänger sich plötzlich mit gesträubtem Schnurrbart aufrecht hinsetzte und zu murmeln anfing. Diesmal schien er nicht erschreckt oder argwöhnisch, sondern voller Begeisterung zu sein. »Da bist du ja. Ha, ha!«, murmelte er. »Liegst im Roggen, he? Zwickst und kitzelst mich unter der Nase, ob ich wohl will? Ha, ha!«
    Traumjäger und Raschkralle ließen sich nieder, um zu warten, zuversichtlich, dass der Bann rasch verschwinden würde und sie weiterwandern könnten.
    »Wartet, wartet!«, schrie Grillenfänger und sprang auf die Pfoten. »Der Stern! Hört ihr nicht, wie er flackert und lärmt? Wir müssen hinter ihm her, bevor er wittert, wer wir wirklichsind! Oh, ich darf nicht noch einmal zu spät kommen! Ich werde auf die Mauer springen!« Plötzlich raste er ohne Vorwarnung los, rief hinter dem Stern her, als könnte er ihn vor sich weghüpfen sehen. Er verschwand in den hohen Gräsern – die Gefährten stürzten ihm entsetzt nach. Doch seine Geschwindigkeit war zu groß, und bald war selbst seine Stimme nicht mehr zu hören.
    Sie warteten den ganzen Abend an ihrem

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