Traumjaeger und Goldpfote
Lagerplatz, während der Hunger ihre Mägen quälte, doch Grillenfänger kehrte nicht zurück. Schließlich gaben sie es auf und gingen auf die Jagd. Am nächsten Morgen zogen sie weiter, wieder einmal nur zu zweit.
10. KAPITEL
Was jagen sie an den schimmernden Weihern,
Am runden Silbermond, dem Himmelsteich,
Im streifigen Gras zwischen rindenlosen Bäumen –
Die Sterne, einsam wie die Augen der Tiere über ihnen!
W. J. Turner
N un setzten die Regenfälle ein.
Bei ihrer Wanderung über den breiten Rücken der Sonnen-Nest-Ebene flüchteten sich die Katzen anfangs in das erstbeste schützende Dickicht. Als jedoch die Zufluchtsorte seltener und die Regenfälle häufiger wurden, waren sie gezwungen, sich mit dem nassen Fell abzufinden. Raschkralle bekam eine Erkältung, und sein Geschniefe verstärkte noch Traumjägers eigene elende Verfassung. Gelegentlich erzeugten diese Unterbrechungen eine Welle des Mitgefühls für die kleine Katze, und Fritti bemühte sich, ihr ein aufheiterndes Wort zu sagen oder ihr einen zärtlichen Klaps zu versetzen. Manchmal jedoch reagierte er auf Raschkralles Krankheit und Winzigkeit mit jähem Unwillen, der sich Luft verschaffte und rasch verflog.
Eines Nachts, als der verängstigte, erkältete Raschkralle sich während eines heftigen Gewitterregens an ihn klammerte, brach die ganze Niedergeschlagenheit, die sich in Traumjäger aufgespeichert hatte, aus ihm hervor. Er schlug das Kätzchen mit den Pfoten und stieß es weg. Als Raschkralle, dessen kleiner Körper von kleinen Schluchzern geschüttelt wurde, in ein Grasbüschel kroch, wurde Fritti plötzlich von der entsetzlichen Vorstellungheimgesucht, Raschkralle könne sterben und ihn allein in diesem ungeheuren, wilden Land zurücklassen!
Dann, als ihm bewusst wurde, was er getan hatte, ging er zu ihm, ergriff ihn am Genick und trug ihn zurück. Er leckte dem Kätzchen das nasse Fell und drückte es an sich, um es warm zu halten, bis der Regen für eine Zeitlang aufhören würde.
Einige Zeit später, während sie immer noch mit nachlassender Entschlossenheit ihren Weg fortsetzten, regte sich in Fritti das Gefühl, dass ihnen etwas folgte. Nachdem der größere Teil des Tages verstrichen war, hatte er das Gefühl noch immer, ja es hatte sich noch verstärkt. So beiläufig wie möglich sprach er zu seinem jungen Gefährten davon.
»Ich bitte dich, Traumjäger«, erklärte Raschkralle, »in der letzten Zeit gab es schrecklich wenig zu jagen, und wir haben nicht viel zu beißen gehabt. Wirklich, ich denke, du bist nicht ganz du selbst. Wer, außer einem Pärchen verrückter Katzen, würde sich bei diesem Wetter draußen herumtreiben?«
Das war klug gedacht, doch tief im Inneren spürte Fritti, dass es mehr war, was auf seine Sinne wirkte, als der schlichte Mangel an Mäusen.
In dieser Nacht, in der geheimen Mitte der Stunde des Letzten Tanzes, fuhr Fritti plötzlich hoch und saß aufrecht auf seinem Schlafplatz.
»Raschkralle!«, flüsterte er. »Da draußen ist etwas! Da! Spürst du’s?«
Offensichtlich ging es Raschkralle ebenso. Auch er war nun wach und zitterte. Beide strengten ihre Augen an, um die Dunkelheit, die sie umgab, zu durchdringen, doch sie entdeckten nichts außer der Leere der Nacht. Jedoch in ihren Barthaaren war eine kriechende, prickelnde Kälte, und von irgendwoher in der Nähe trug die regenschwere Luft den Geruch von Blut und alten Knochen zu ihnen.
Den Rest der Nacht verbrachten sie wie die Quieker, die siejagten, bei jedem Geräusch zusammenfahrend. Doch schließlich wurden ihre Empfindungen schwächer, dann waren sie völlig verschwunden. Selbst im dünnen Licht des Morgens dachten sie nicht an Schlaf. Ohne sich damit aufzuhalten, etwas für das Frühstück zu erjagen, machten sie sich auf den Weg.
An diesem Tag wurde der Regen stärker, der Himmel war dunkel und regenschwer, und von Zeit zu Zeit blies ein Wind aus dem Norden und trieb ihnen Ströme von Wasser in die Gesichter, während sie vorwärtsstapften. Das Gefühl, beobachtet zu werden, war nicht verschwunden und hatte nach Fritti nun auch Raschkralle erfasst. So kam es, dass sie, als sie am späten Abend einen kleinen, durchnässten Quieker erwischten, hastig aßen und trotz Hunger und Müdigkeit wieder aufbrachen.
Sie hatten gerade die letzten Bissen des sehnigen Fleisches heruntergewürgt, als aus der wirbelnden, durchregneten Dunkelheit ringsum ein furchtbarer heulender Schrei ertönte, der ihre Herzen einen Augenblick
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