Traumjaeger und Goldpfote
Graubärten jahrelang darüber zu grübeln hätte. Wir müssen mit unserem Abschied zu Rande kommen. Traumjäger und Raschkralle, tapfere junge Jäger und Freunde unseres alten Gefährten Langstrecker, wir wünschen euch eine gute Reise. Wisset denn, dass ihr zu den ganz wenigen Außenseitern gehört, denen jemals erlaubt wurde, mit den Erst-Gehern zu wandern.« Fritti und Raschkralle senkten die Köpfe.
»Ich will euch ein Gebet sagen, das wir sprechen. Wenn ihr in Gefahr seid und es sprecht, wird jeder Erst-Geher, der es hört, euch helfen. Ist niemand in der Nähe, dann ist es gewiss nicht schlecht, den Namen unseres Herrn, des Abenteurers, auszusprechen – in welcher Lage auch immer. Dies sind die Worte:
Tangalur, feuerhell,
Flammenfuß, der am weitesten ging!
Dein Jäger spricht,
Denn er ist in Not.
Er geht in Not,
Doch niemals in Furcht.
Kannst du das behalten? Gut!« Sekundenlang gab es eine unbehagliche Pause. »Guten Tanz für euch beide«, setzte Zitterkralle hinzu. Fritti neigte seinen Kopf.
»Lebe wohl, Lehnsmann. Lebt wohl, Erst-Geher. Eure Freundlichkeit ist umso wertvoller, als sie unerwartet ist. Möget auch ihr eine gute Reise haben und einen guten Tanz.«
Traumjäger drehte sich um und setzte sich, ohne sich noch einmal umzuschauen, in Richtung auf das Hügelland in Bewegung. Kurz darauf folgte ihm Raschkralle. Als die Erst-Geher bereits längst außer Sicht waren, sprachen sie noch immer kein Wort.
Die ersten Tage im Hügelland verstrichen recht ruhig. Jeweils nach einer Stunde Marsch gelangten sie auf die Kuppe eines runden Hügels, von wo sie in alle Richtungen schauen konnten. Indem sie sich an der Sonne orientierten, hatten sie keine Mühe, ihre Richtung beizubehalten. Die weiche Grasfläche fing die ermüdeten Tritte der beiden Katzen auf, und die grünen, buckligen Hänge Sanftlaufs waren im Überfluss von allen Arten essbarer Dinge und Lebewesen bevölkert. Das Hügelland war von einem stilleren, besinnlicheren Leben erfüllt als der Wald, und selbst die Gejagten schienen ihr Schicksal mit stillem Gleichmut zu ertragen. Es war nicht ohne Reiz, dieses sanft geschwungene Land zu durchwandern.
Gleichwohl wurden die Tage kälter. Der Herbst lugte um die Ecke – mit dem geduldig wartenden Winter im Rücken –, und Fritti und Raschkralle nahmen die Veränderung des Wetters alsein ruhiges Drängen wahr. Wenn sie ein wenig bummelten oder neue Ausblicke oder Düfte sie zu verweilen lockten, breitete sich die Kälte aus, die tief in ihren Knochen saß, und umfing sie mit einem leichten, eisigen Hauch, der sie eilends auf ihren Pfad zurückkehren ließ.
Traurig sah Fritti, wie Raschkralles gute Laune von der anstrengenden Reise gedämpft wurde. Auch Traumjäger war schwermütig, doch die Verantwortung, die er für die tapfere kleine Katze trug, gab den öden Stunden der Reise einen gewissen Sinn.
Eines grauen Nachmittags waren die beiden Katzen auf dem breiten, grünen Hang eines Hügels auf der Jagd nach ihrem Mittagessen. Ein kleines Gehölz krönte die Kuppe des Hügels, und es hatte von unten so ausgesehen, als sei es zum Beutemachen der rechte Platz.
Als die beiden Katzen am Rande des Wäldchens entlangspürten, scheuchten sie ein junges Kaninchen aus dem Dickicht auf. Als es über die geschwungene Grasfläche flitzte, nahmen die beiden Katzen die Verfolgung auf, wobei sie das fliehende
Praere
flankierten, um sein Ausbrechen zu verhindern. Plötzlich blieb das Kaninchen wie erstarrt sitzen, so dass die überraschten Jäger ebenfalls haltmachten, und in diesem Augenblick zog ein Schatten über ihren Köpfen vorbei. Das
Praere
, regungslos bis auf die zuckende Nase, Panik in den starren Augen, verschwand in einem Sturm brauner Federn, die von oben herabfielen.
Der Habicht berührte kaum den Boden, als er auf das Kaninchen herabstieß, packte es mit hornigen Krallen und brach ihm den Rücken. Mit ein paar Flügelschlägen erhob sich der
Meskra
in die Luft, den schlaffen Leichnam schlenkernd. Dann schwang er sich in den Wind, stieg empor, und die beiden Katzen blieben mit offenen Mäulern zurück. Weder der Vogel noch seine Beute hatten ein Geräusch verursacht. Der Hügel lag plötzlich öde und leer im schwachen Sonnenlicht.
Nach einem Augenblick wandte sich Raschkralle an Fritti. Seine Zähne waren vor Angst entblößt.
»Oh, Traumjäger«, wimmerte er, »ich will nach Hause.«
Fritti wusste nichts zu antworten und führte Raschkralle schweigend den Hügel
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