Traumjaeger und Goldpfote
vom letzten Stein auf das grasige Ufer sprang. Grillenfänger musterte sie einen Augenblick aufmerksam und rollte sich am Flussufer zusammen.
Schließlich schien die Erinnerung wiederzukehren. Es kam Fritti vor, als spreche er, doch bei dem Getöse der Schwanzwende war kein Wort zu verstehen, und Fritti bedeutete der alten Katze, ihnen höher auf das Ufer zu folgen.
In einiger Entfernung vom Fluss blieben sie stehen.
»Schön, dich wiederzusehen, Grillenfänger!«, sagte Raschkralle fröhlich. Er schien alle Furcht abgelegt zu haben, die er einst in der Gegenwart der merkwürdigen, schmutzigen Katze empfunden hatte.
Mit einem erfreuten, jedoch bekümmerten Gesichtsausdruck ging Grillenfänger schnüffelnd um die beiden herum.
»Wahrhaftig, wahrhaftig«, sagte er endlich. »Es sind die Schwanzwedler, die Gackler-Wackler höchstselbst!« Neugieriglegte er den Kopf schräg. »Was führt euch kleine Landratten, tip, tap, an den Fluss? Seid ihr gekommen, um eure Köpfchen reinzutunken? Ach ja … das eigentliche Wunder ist, wie ihr den brennenden Fragen der Dämonen-Katzen entkommen seid. Sind euch Flügel gewachsen, dass ihr wegfliegen konntet? Es wäre nicht das erste Mal«, fügte er dunkel hinzu.
»Welche Dämonen-Katzen meinst du?«, fragte Raschkralle. »Wir haben bloß die Erst-Geher getroffen, und sie waren sehr nett zu uns.«
»Pah! Rattendreck!«, knurrte Grillenfänger und spie aus. »Sie sind hübsch aufgebrochen, das ist wahr, doch bald wollen sie Sachen, wollen Sachen – immer den Körper zu etwas zwingen.«
Fritti nahm Grillenfängers Gerede nicht allzu ernst. »Nun gut«, sagte er, »sollten wir nicht, da wir uns nun mal getroffen haben, eine Weile zusammenbleiben? Wenn wir den Fluss überschritten haben, wollen wir über die Sonnen-Nest-Ebene wandern. Deine Gesellschaft wäre uns eine Ehre.«
Grillenfänger lächelte und nickte. »Das ist auch mein Weg«, stimmte er zu. »Ich folge einem besonders lauten und volltönenden Stern.« Er legte die Ohren an und flüsterte. »Aber … ich weiß, wo er runterkommt, um zu überwintern!« Erfreut darüber, sein Geheimnis mitgeteilt zu haben, machte Grillenfänger einen kleinen Schritt zur Seite und biss leicht in Raschkralles Ohr, der es gutgelaunt über sich ergehen ließ.
»Kannst du uns über den Fluss führen?«, fragte Fritti. »Du scheinst die besten Felsen zu kennen.«
»Tragen Streifenhörnchen Fell am Hintern? Und ob ich die kenne!«, sagte Grillenfänger.
Je weiter sie am Ufer der Schwanzwende hinaufzogen, desto mehr veränderte sich das Land. Die grün gepolsterten Hügel von Sanftlauf wurden flacher und flacher und verschwanden im Lauf der Stunde der Kleineren Schatten. Jetzt gab es nur noch gelegentlichein Hügelchen, das zaghaft aus dem wogenden Gras hervorwuchs.
Raschkralle und Traumjäger hatten nie etwas gesehen, das sich mit der Sonnen-Nest-Ebene vergleichen ließ. Scheinbar endlos streckte sie sich aus und lief vor ihnen dahin, ein weiter, flacher Ozean von Gras und am Boden kriechenden Pflanzen. Die Natur hatte dieses Land vollkommen eben geschaffen, und obgleich hinter den Reisenden die Hügel aufstiegen, hatten sie den Eindruck, über eine Hochebene zu wandern. Der Himmel, der nun, von den Winden und Regen einer kälteren Jahreszeit reingewaschen, dicht über ihren Köpfen hing, verstärkte noch dieses Gefühl. Es war, als habe man sie auf eine weite, glatte Fläche gehoben, wo eine unbestimmte Gewalt sie einer Prüfung unterwerfen sollte.
Fritti und das Kätzchen waren für Grillenfängers Gesellschaft dankbar. Nach dem dritten und vierten Sonnenaufgang begannen sie sich, angesichts der einförmigen Großartigkeit der Ebenen, klein und nutzlos vorzukommen. Grillenfänger indessen war eine echte Quelle der Ablenkung, überfließend von Bruchstücken seltsamer Lieder und Lieblingssprüchen, die sich auf nichts und alles beziehen konnten.
Als sie sich eines Nachmittags in dem wogenden Gras niedergelassen hatten, um auszuruhen, begann Raschkralle schüchtern das Bruchstück eines Liedes herzusagen, das er sich über ihre Reise zum Hof von Harar ausdachte. Es war unbeholfen und unfertig, doch Fritti fand es reizvoll. Er war überrascht zu sehen, dass es Grillenfänger großes Unbehagen zu bereiten schien.
Da er dem Kätzchen Verlegenheit ersparen wollte, lobte er das Lied und richtete dann das Wort an Grillenfänger, um ihn abzulenken.
»Ich habe mich gefragt«, begann er, »warum dieses weite flache Land wohl die
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