Traumkristalle
„Nürnberger Trichters“ zweifellos die einzige ist, die der nationalen Würde entspricht. Hoffentlich nimmt der Staat bald die Sache in die Hand.
Nicht zufrieden mit seinen bisherigen Erfolgen gedachte Heino Mirax nunmehr die Weltentwickelung überhaupt in beschleunigtere Gangart zu versetzen. Längst hatte er erkannt, daß die Schwäche der modernen Naturwissenschaft in ihrer Beschränkung auf die Gesetze der stofflichen Welt bestehe. Mit dem Ausmessen und Berechnen der Sternenbahnen, der Erforschung von Land und Meer, dem Abwägen von Kohlenstoff und Sauerstoff, mit der Beobachtung der Nervenprozesse, der Zellenbildung, der organischen Fortpflanzung – mit alledem flickt man ja doch nur an dem äußeren Gewände der Natur herum. Man mag dadurch die materielle Welt beherrschen, aber man lenkt sie nur künstlich wie ein Pferd am Zügel, nicht durch die Anfeuerung des inneren Triebes. Mirax ging tiefer; er beschloß, die Weltseele selbst zu züchten.
Es ist einleuchtend, daß die gesamte Natur ebenso gut wie der Mensch ein inneres Bewußtsein, ein Gefühl ihrer selbst besitzt. Die alten Griechen bis Plato waren darüber nicht im Zweifel gewesen; erst die moderne Wissenschaft seit Descartes und Galilei hatte es vergessen. Nicht so Mirax; er griff der Natur in den Busen, von innen heraus wollte er sie fördern. Man sage nicht, daß eben der Körper das einzige sei, wodurch der Geist zugänglich und anderen vermittelt werde. Die Experimente über den körperlosen Verkehr der Geister haben diese Ansicht widerlegt; das Hellsehen und der Spiritismus bilden von nun ab die Mittel, der Natur nicht mehr auf den Leib, sondern direkt auf die Seele zu rücken. „Der Darwinismus muß spirituell werden!“ Mirax sprach das große Wort gelassen aus. Noch mehr! Die Weltseele muß künstlich gezüchtet werden! Nicht mehr die Naturkräfte – Licht und Wärme – und die Naturerscheinungen – Sternenhimmel, Atmosphäre, Erdrinde – dürfen das Objekt der Wissenschaft bilden, sondern die Naturseelen, die Geister, welche die Innenseite dieser Kräfte und Erscheinungen repräsentieren. Unmittelbar auf die Elementargeister sollte man wirken, in ihnen den Trieb nach Vervollkommnung wecken und durch künstliche Auslese, Zuchtwahl und Vererbung – denn warum sollen nicht auch die Geister sich fortpflanzen? – sie zu einer gedeihlichen Entfaltung ihrer Kräfte bringen. Man braucht dann nicht mehr die Gesetze der Elektrizität mühsam zu studieren; man ruft den Geist derselben – nennen wir ihn Elektra – und veranlaßt ihn, uns ohne Strom und Funken zu dienen. Schon Faust hatte etwas Ähnliches gewollt, als er seine Geister beschwor; aber in jenem dunklen Zeitalter fehlten ihm noch die Mittel zur richtigen Durchführung, und deshalb hätte Goethe auch besser getan, den Faust nicht zu schreiben. Mirax wußte die Sache methodischer anzufassen. Das Darwinsche Grundgesetz von der fortschreitenden Entwickelung der Organismen steht fest. Beruht nun diese Entwickelung auf dem mechanischen Einflüsse der Naturkräfte? Da hat Häckel offenbar vorbeigeschossen; das Bewußtsein selbst ist es, welches zu entfalten ist! Mirax wandte das Entwickelungsgesetz auf die Elementarseelen an. Der Erdball hat eine Seele. Nur steht sie nicht, wie Fechner glaubte, höher, sondern tiefer als wir. Wenn es nun gelänge, die Erdseele zu erziehen, zu entwickeln von innen heraus, welche Fülle von irdischem Fortschritt müßte sich ergeben! Was nützt das Herumgraben und Analysieren in der gravitierenden Masse, die man Materie nennt! Das Ursprüngliche ist der psychische Zustand, das Bewußtsein, und diese Erde ist nur eine niedre Form, eine untergeordnete Seinsart des Geistes. Mirax zog die Konsequenz der neuesten Entdeckungen, indem er Spiritismus und Darwinismus zum metaphysischen Monismus oder sogenannten Mystotranszendentalismus verband. Wir Menschen sind die höchste Stufe der Wesenreihe, weil wir es bis zur Entwickelung des Selbstbewußtseins gebracht haben, zum Unterschiede von Ich und Welt, der wir gegenüberstehen. Jene niederen Geister, wie z. B. der Erdgeist, den die Geologen Erdrinde oder Lithosphäros nennen, sind noch nicht so weit. Sie haben ebenfalls Bewußtsein, aber sie sind bloßes Subjekt; sie erleben alles nur als wechselnde Zustände, ohne zu wissen, daß sie selbst es erleben, daß sie etwas sind und etwas vermögen. Wenn der Erdrindengeist z.B. es dazu brächte, Selbstbewußtsein zu erlangen, so würde er dem Menschen ebenbürtig, ja
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