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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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Aber der Geisir setzte ihm auseinander, daß er es ganz bestimmt besäße, denn er sei ja ein Mensch; und das Selbstbewußtsein sei eben das, was den Menschen auszeichne, und es sei das Beste an ihm.
    Da lachte der Eskimo und meinte, das hätte er ihm nur gleich sagen sollen; wenn es das Beste an ihm sei, so wolle er es ihm gern zeigen; er meine jedenfalls seinen Tranvorrat. Aber geben könne er ihm nichts davon. Wenn er indessen seine Frau mitnehmen wolle, so könnten sie sich eher einigen.
    Der Erdgeist sah ein, daß er hier nicht an den Rechten gekommen war, und beschloß, die Menschen aufzusuchen, welche Bohrlöcher machen und Abhandlungen schreiben. Er reiste also nach Süden. Der Geisir jedoch blieb zurück; er erklärte, es werde ihm dort zu warm, und außerdem würde ihm sein Freund, der Seehund, das übel nehmen.
    Kaum war der Erdgeist nach Deutschland gekommen, als er alle Leute, die ihm begegneten, fragte, was Selbstbewußtsein sei und wie man es bekomme. Sie schüttelten aber den Kopf und verstanden nicht, was er meinte. Endlich sagte ihm einer:
    „Selbstbewußtsein? Das ist nämlich, wenn man sich was einbildet. So was können Sie bei uns überall finden. Gehen Sie man ruhig nach Berlin, das kenn’ ich, weil ich dort gedient habe, und fragen Sie da, wo die eingebildetsten Leute sind.“
    Sofort reiste der Erdgeist nach Berlin und fragte den Portier in seinem Hotel, wo die eingebildetsten Leute seien.
    Der Portier konnte sich natürlich nicht denken, daß jemand die eingebildetsten Leute suche; er glaubte sich verhört zu haben, jedenfalls sei er nach den fein gebildetsten Leuten gefragt worden. Daher sagte er:
    „Die feingebildetsten Leute, mein Herr, sind die Herren Oberkellner der großen Hotels. Sie sprechen sämtliche Sprachen, machen die feinsten Verbeugungen und haben die neuesten Fräcke. Die gebildetsten Leute sind nächstdem die Herren Redakteure und Journalisten. Sie wissen alles und müssen auch alles wissen, und wenn sie etwas nicht wissen, so brauchen sie sich bloß hinzusetzen, um darüber zu schreiben, alsdann weiß es jedenfalls bald das Publikum. Recht gebildete Leute findet man übrigens auch zuweilen unter den Herren Geheimräten, Professoren, Kommerzienräten und geborenen Baronen.“
    Der Erdgeist staunte über diese ungeheure Menge von Leuten, welche, wie er meinte, sich über den Begriff des Selbstbewußtseins klar seien. Sein Respekt vor dem Menschengeschlechte stieg, seine Begierde nach dem Selbstbewußtsein wurde noch heftiger. Er ging zunächst zu dem Oberkellner und fragte ihn, was Selbstbewußtsein sei.
    Der Oberkellner sah ihn von oben bis unten an, und da er ihm etwas schäbig vorkam, so näselte er:
    „Selbstbewußtsein ist, wenn man nicht unter fünf Mark Trinkgeld nimmt.“
    „Können Sie mir nicht etwas davon ablassen?“ fragte der Erdgeist.
    „Nun, weil Sie es sind“, sagte der Oberkellner, „so will ich ausnahmsweise auch vier Mark annehmen.“
    Da aber der Erdgeist keine Miene machte in die Tasche zu greifen, so begleitete ihn der Oberkellner an die Tür.
    Der Erdgeist ging auf das nächste Redaktionsbureau. Der Redakteur für das Feuilleton schwitzte gerade über seiner Sonntagsplauderei. Als er die seltsame Erscheinung des Erdgeistes sah, hoffte er auf einen interessanten Stoff und empfing ihn sehr höflich.
    Gleich bei der stereotypen Frage des Erdgeistes erkannte der Redakteur, daß er es mit einem Original zu tun habe, glaubte aber, der Erdgeist wolle ihm einen Artikel anbieten. Er sagte daher:
    „Selbstbewußtsein, mein Herr, ist ein philosophischer Begriff. Man hat darüber verschiedene Theorien, welche Sie im Konversationslexikon angedeutet finden. Sie müssen wissen, daß ich mich außerordentlich für Philosophie interessiere, ich beschäftige mich selbst damit in meinen Mußestunden. Aber schreiben Sie um Himmelswillen nicht darüber! Ich zwar, für meine Person, würde Ihren Artikel mit Vergnügen lesen. Jedoch das Publikum! Ich bitte Sie, wie können wir unserem Publikum so etwas bieten! Die Zeitung verlöre sämtliche Abonnenten. Nur nichts Philosophisches! Das Publikum mag davon nichts wissen. Nur nichts, was ernste Aufmerksamkeit erfordert. Höchstens noch ein paar Gespenstergeschichten, wie sie Mirax erzählt; aber mit ein paar Skataufgaben wäre mir besser gedient.“
    Da der Erdgeist sah, daß er auch hier nicht zu seinem Ziele kommen würde, so verabschiedete er sich und beschloß, sich nunmehr an die Herren Geheimräte zu wenden. Aber

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