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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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durch die Größe und Mannigfaltigkeit seines Körperbaues – der Erdrinde – ihm vielleicht überlegen sein. Und wenn auch die Menschheit darüber zu Grunde ginge, ihr Wesen selbst, die höhere Stufe des geistigen Seins, würde als Idee in dem zum Selbstbewußtsein gekommenen Erdgeiste fortleben; er würde den Weltprozeß dort weiter denken, wo die Menschheit ihn abgebrochen hat.
    Das ungefähr war der Gedankengang, welchen Heino Mirax in seinem Artikel „Über die Anwendung der Entwickelungstheorie auf die künstliche Züchtung der Weltseele“ durchgeführt hatte. Jetzt kam es nur noch darauf an, einen Elementargeist, also etwa den Geist der Erdrinde, zu veranlassen, daß er sich selbst über seine vielversprechende Zukunft aufkläre. Hätte er erst einmal eingesehen, daß ihm bloß das Selbstbewußtsein fehle, um in die höhere, ja die höchste Stufe des Geisterreichs einzurücken, so würde er sicher alles daran setzen, um zum Selbstbewußtsein zu gelangen. Welcher Erfolg, wenn Mirax diese künstliche Züchtung einer Seele der Natur zustande brächte!
    Sollte es nicht genügen, daß der Erdgeist Gelegenheit bekäme, die Abhandlung unseres Denkers zu lesen? Daß er ein niederer Geist ist, der vielleicht gar nicht lesen kann, macht dabei nichts aus. Denn die Elementargeister sind, wie Mirax zweifellos festgestellt hat, nicht niedere Geister in dem Sinne, wie z. B. die Hunde es sind, welche im allgemeinen das Lesen nie lernen; sondern niedere Geister sind sie nur im mystotranszendentalen, nicht im organischen Sinne, sie sind ganz menschlicher Art, wie die Spirits, nur daß sie eben kein Selbstbewußtsein besitzen. Das ist gerade das Feine am Miraxianismus, daß er den bisher nur bekannten organischen durch den mystotranszendentalen Unterschied ersetzt hat, und wer das nicht versteht, der ist nicht wert, daß die Wissenschaft um seinetwillen umkehre.
    Um sich seiner Sache zu vergewissern, ließ Mirax noch den Geist des großen Theophrastus Bombastus Paracelsus von Hohenheim zitieren, der sogleich erschien und ihm eröffnete, daß in der Tat der Erdrindengeist Lithosphäros ein Freund guter Lektüre sei. Die Einwirkung durch die Presse sei nicht nur für die politische Volksbildung, sondern auch für die mystotranszendentalentwickelungstheoretische Erziehung der Elementargeister der passendste und wirksamste Weg. Darum habe er auch seiner Zeit deutsch geschrieben. Aber die Adresse des Erdgeistes wußte er ihm nicht anzugeben. Das Sicherste sei, wenn Mirax mehrere Separatabzüge seiner Abhandlung in die tiefsten Bohrlöcher der Erdoberfläche hinabwerfen lasse. Heino Mirax fand zwar dieses Mittel etwas materialistisch; aber da es ein Experiment an wertlosen Objekten war, so konnte er es ja einmal probieren.
     
    Der Erdgeist stand gerade in seinem Kasino auf der Kegelbahn und hatte soeben eine Kugel geschoben, daß sämtliche Porzellantassen in Mitteleuropa klapperten und die Geologen nach ihren Seismographen liefen, um zu sehen, ob es auch wirklich gebebt habe. Es waren da bei ihm noch einige außer Dienst gestellte Elementargeister, nämlich die pensionierten griechischen Götter Poseidon und Hephästos, welche aus Ärger über ihre Verbannung von den Menschen jetzt dem Erdgeist im Kasino das Bier abgewannen; ferner ein abgestorbener Geisir aus Island und ein alter ausrangierter Gletscher, der mit der Zeit nicht mehr fortkommen konnte und deswegen zurückgegangen war. Diese Herren bildeten das Kegelkränzchen des Erdrindenkasinos, und es war recht gemütlich dort; denn sie sprachen alle nicht viel. Die Götter schwiegen, weil sie nicht deutsch verstanden und die anderen nicht griechisch. Der Geisir war heiser, denn seine Luftröhre saß ihm voll Kieselsinter; und der Gletscher hatte Schmerzen in seiner Stirnmoräne, woraus durch Mißverständnis des Geologischen der Name Migräne entstanden ist. Der Erdgeist sagte auch nichts, weil ihm nichts einfiel; aber er bezahlte, so oft er verlor, und das war die Hauptsache.
    Als sich der Erdgeist aus seiner Keglerstellung wieder aufrichtete, stieß er mit dem Kopfe an eine stählerne Röhre, die inzwischen aus der Decke hervorgedrungen war.
    „Potz Glimmer!“ schrie er, indem er die Spitze des Hohlbohrers abbrach. „Was sich nur da oben für ein Gesindel breit macht, das einem aller Ecken und Enden die Haut durchsticht!“
    „Das ist vielleicht so ein Kabel,“ sagte der Gletscher, „wie sie es dem Vetter Meergreis um den Leib gelegt haben. Es soll gut gegen

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