Traumkristalle
mitgebracht? Welche Expedition haben Sie vor?“
„Es gilt“, sagte Strudel, „einen höchst merkwürdigen Fund zu heben, den ich gemacht habe. Zwischen Klippen, halb im Sande vergraben und mit Schaltieren besetzt, habe ich eine altertümliche Kiste auf dem Meeresgrund gefunden. Sie hatte sich so fest zwischen die Felsen geklemmt, daß es mir allein nicht möglich war, sie sogleich frei zu machen. Deshalb habe ich mich heute mit Hilfe versehen, und Sie wollte ich um Ihre Begleitung bitten, weil ich glaube, daß Sie der Fund interessieren wird. Die Kiste ist wenigstens zweitausend Jahre alt, und ich bin überzeugt, sie wird höchst interessante historische Aufschlüsse gewähren; vielleicht enthält sie Dokumente von Wichtigkeit.“
„Wohlan“, sagte Kotyledo, „ich bin bereit und brenne vor Neugier, die geheimnisvolle Kiste zu öffnen. Aber wissen Sie auch, ob wir ruhige See behalten? Ich habe im Wetteratlas nicht nachgesehen.“
„Auch ich habe es versäumt.“
„Das ist schade. Doch wir wollen uns dadurch nicht stören lassen.“
„Vorwärts denn!“ schloß Strudel.
Sie begaben sich auf den Weg. Kotyledo erzählte seine Schicksale und bat Strudel um seinen Rat. Dieser, der natürlich von der Existenz des Diaphots keine Ahnung hatte, war geneigt, an Sinnestäuschungen zu glauben, und schlug Kotyledo vor, einen Arzt zu Rate zu ziehen. Vorher aber wollte er selbst einmal Kotyledos Wohnung aufsuchen, um womöglich einer Erscheinung Lyrikas beizuwohnen.
Nach Verlauf von zwei Stunden waren die Forscher an der Stelle angelangt, wo die Kiste lag. Sogleich machten sich die Arbeiter unter Strudels und Kotyledos Leitung daran, den Schatz zu heben und die Kiste von den sie festhaltenden Hindernissen zu befreien. Das ging nicht so leicht; ein Teil des Felsens mußte mit der Hacke abgesprengt werden, dann erst gelang es, die Kiste aus dem Schlamm und Sand, welcher die Zwischenräume füllte, unverletzt hervorzuziehen. Es war noch ein Glück, daß die Kiste auf diesen aus dem Schlamme hervorragenden Fels geraten war, sonst hätte man sie nie wiedergefunden. Die Kiste war zwei Meter lang, über einen halben Meter breit und ziemlich ebenso hoch, Strudel brannte vor Ungeduld, sie zu öffnen, aber unter dem Wasser ging es nicht an.
„Wir müssen den Fund nach der Küste schaffen“, meinte Kotyledo. „Aber wo finden wir das nächste Land?“
„Im Norden“, erwiderte Strudel. „Ich habe das schon vorgesehen und mich genau orientiert. In zwei Stunden können wir auf einer der Azoren sein.“
Der Marsch wurde angetreten und so sehr wie möglich beschleunigt. Strudel und Kotyledo selbst nahmen die Kiste zwischen sich, die freilich im Wasser kein großes Gewicht besaß. Der Meeresboden hob sich allmählich und zeigte die Nähe einer Insel an. Die Arbeiten zur Freilegung der Kiste und der Marsch hatten gut weitere drei Stunden fortgenommen. Es war völlig Nacht geworden, als sie der Oberfläche des Meeres sich näherten. Aber die Szene hatte sich geändert. Mehr und mehr kamen sie in eine vom Sturm aufgeregte See und mußten sich am Boden des aufsteigenden Ufers halten, um nicht willenlos hin und her geworfen zu werden. Die Kiste wurde noch mit Stricken an Handhaben befestigt und von den vier Männern mit Mühe getragen.
Jetzt war Kotyledo an die Oberfläche emporgedrungen und hatte sich durch die Brandung hindurchgearbeitet. Er befestigte das Seil, welches er hielt, an einer geeigneten Stelle oberhalb des Wassers; Strudel und die Arbeiter kletterten daran zu ihm empor; es galt jetzt, die Kiste nachzuziehen, was trotz ihrer vereinigten Anstrengungen längere Zeit hindurch nicht gelingen wollte. Endlich kam sie zum Vorschein. In diesem Augenblicke wurde, durch das Brausen der Wogen und das Heulen des Sturmes fast erstickt, ein kurzer Knall vernommen, und als die Männer den Strahl ihrer elektrischen Lampen auf die im Dunkel wogende See hinauswarfen, bemerkten sie einen weißen Gegenstand aus der Luft in das Meer fallen. Es mochte ein Mensch sein, der in der Luft vom Sturm überrascht worden war und jetzt in einer Entfernung von vielleicht fünfhundert Schritt mit den Wogen kämpfte oder vielmehr willenlos von ihnen hin und her geschleudert wurde. Rettung zu bringen schien unmöglich – auch wurde der Unglückliche von Wind und Wogen vom Lande abgetrieben.
Kotyledo zögerte nicht zu handeln. Er ließ sich in seinem Taucheranzuge an das längste der mitgebrachten Seile binden und nahm ein zweites mit sich. Die
Weitere Kostenlose Bücher