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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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entschlossenen Männer, welche Strudel begleitet hatten, warfen ihre Taucheranzüge ab und legten die immer mitgeführten Flugmaschinen an. Dann faßten sie das Seil, an welchen Kotyledo hing, und indem sie es festhielten, vertrauten sie sich der Gewalt des Sturmes an. Strudel blieb zum Schütze der Kiste zurück und hielt sich bereit, den etwa Zurückkehrenden hilfreich beizuspringen. Der Sturm erfaßte sofort die Fliegenden und warf sie aufs Meer hinaus, Kotyledo wurde in den Wogen fortgezogen. Jetzt aber setzten die Arbeiter ihre Luftschrauben in Bewegung und regelten ihren Lauf durch die Luft. Das Unternehmen war schwierig, aber es gelang ihnen, in die Nähe des Versunkenen zu kommen. Weithin leuchtete Strudel mit seinen elektrischen Strahlen über das Meer, die Fliegenden hielten sich über der Stelle, wo das weiße Tuch schimmerte, und Kotyledo bemühte sich, dasselbe zu erfassen. Endlich glückte es ihm – fest eingehüllt in das Tuch fühlte er einen menschlichen Körper, ob lebend oder tot, konnte er nicht entscheiden. Die Fliegenden wandten jetzt ihre Schrauben und arbeiteten dem Sturm entgegen, Kotyledo und den Geretteten mit sich fortzuziehen.
    Zum Glück hielten ihre Luftschrauben aus, und ihren vereinigten Kräften gelang es, die Gewalt des Sturmes zu besiegen. Wieder erreichten sie das Land, wo Strudel Wache hielt, und nun war es den drei Männern möglich, Kotyledo und seine Last durch die Brandung ans Ufer zu ziehen. Sogleich wurde die Kiste auch vollends heraufgeschafft, und alle waren geborgen. Kotyledo warf seinen Taucheranzug ab. Er hob einen Zipfel des Tuches auf und beleuchtete mit seiner Lampe das Gesicht des Ertrunkenen. Es war Lyrika –
    Die Insel Terceira war dicht bewohnt. Nicht weit vom Strande befand sich ein großes Hotel, in welchem die Reisenden mit ihren Gütern Aufnahme und für sich ausreichende Verpflegung fanden. Ein tüchtiger Arzt war sogleich zur Stelle, und an Lyrika wurden alle Wiederbelebungsversuche, welche die moderne Heilkunde bot, angestellt. Nach langer Bemühung schlugen sie an; die Verunglückte atmete wieder und lag bald wohlgebettet in tiefem Schlafe. Der Arzt beruhigte Kotyledo.
    „Nach zwei Stunden“, sagte er, „habe ich die Dame völlig wiederhergestellt. Sie ist nur noch sehr ermüdet – scheint einen weiten Flug gemacht zu haben.“
    In diesem Augenblick stürzte Strudel in den Salon, in welchem sich die beiden Herren befanden.
    „Herr Arzt“, rief er, „ich brauche Ihre Hilfe noch weiter! Bitte, begleiten Sie mich – und Sie, Kotyledo!“
    Der kleine Herr zitterte vor Aufregung. In der rechten Hand hielt er ein Päckchen Papiere, mit dem er in der Luft herumfuchtelte. So schleppte er seine Begleiter in sein Zimmer. Die Kiste stand auf dem Boden des Zimmers, der Deckel war offenbar erst mit Widerstreben gewichen; jetzt zeigte sich, daß die Kiste von Kupfer war. Aber in derselben stand eine zweite eiserne Kiste; außerdem hatte sich eine Blechbüchse darin befunden, welche Strudel zuerst geöffnet hatte und deren Inhalt er jetzt in der Hand hielt und den Herren unter die Augen breitete.
    Es waren drei Schriftstücke in deutscher Sprache, in den altertümlichen Schriftzügen vom Ende des zweiten Jahrtausends. Das erste enthielt die amtliche Versicherung, daß dem Fleischermeister Friedrich Schulze zu Berlin von seiner Ehefrau Friedericke, geborne Müller, am 20. April 1821 ein Sohn geboren worden sei und derselbe nach Ausweis des Kirchenbuches in der heiligen Taufe die Namen Friedrich Wilhelm erhalten habe. Es war also ein Taufschein von Friedrich Wilhelm Schulze zu Berlin.
    Das zweite Dokument lautete folgendermaßen:
     
    An Bord der Nirwana,
    den 30. Juli 1876
    Zur Aufklärung aller Mißverständnisse, welche etwa daraus hervorgehen könnten, daß durch die Wirren späterer Zeit mein gegenwärtiger Entschluß vergessen werde, soll man folgende Erklärung meinem mumifizierten Körper beigeben:
    Ich, Friedrich Wilhelm Schulze, wohnhaft Potsdamer Straße … (Ziffern verwischt) in Berlin, Witwer, Rentier und Hausbesitzer, Sohn des verstorbenen Fleischermeisters Friedrich Schulze, unbestraft, im Besitz der bürgerlichen Ehrenrechte und eines Vermögens von 280000 Mark 4 Pf., befand mich zum Besuche der Zentenial-Ausstellung in Philadelphia, woselbst ich Herrn Doktor Carl Müller kennenlernte, welcher im Begriff war, seine Entdeckung über die Mumifizierung und Wiederbelebung organischer Körper zu veröffentlichen. Derselbe teilte mir als schon

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