Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
Stimme am anderen Ende der Leitung bringt Mats Entschluss zum Wanken. Möchte er ein unschuldiges Kind wirklich diesen Behörden ausliefern? Er arbeitet schließlich nur für die Regierung, um das zu verhindern. Seitdem die Wächter eines Tages seinen großen Bruder abgeholt hatten, wollte Mat Kontrolleur werden, um Familien dieses Schicksal zu ersparen. Er erinnert sich noch genau an diesen Tag. Die schweren Schritte der Wächter klingen in seinen Ohren nach wie ein unaufhaltsamer Albtraum. Das Gesicht seiner weinenden Mutter, ihre flehend erhobenen Hände. Sein Bruder, der sie nicht mehr ansah, weil er ihren Blick nicht ertragen konnte. Mat war gerade zehn Jahre gewesen. Niemand bekam mit, dass er die Szene beobachtete und so stand seinem Weg als Kontrolleur nichts im Weg. Seine wahren Beweggründe mussten ein Geheimnis bleiben und so brach er mit der Berufswahl seiner Mutter das Herz. Als sie letztes Jahr starb, hatte er sich noch nicht mit ihr versöhnt.
Mats Hände zittern.
»Hallo?«, wiederholt der Wächter genervt.
»Hier ist Nummer 20421«, Mat holt tief Luft und fast einen Entschluss, »ich habe eine Patientin, die seit zwei Monaten nicht mehr träumt. Deshalb beantrage ich eine vorsorgliche Unterbringung in der Klinik.«
»Es tut mir leid!« Gehetzt versucht Macy mit Hailey Schritt zu halten. »Dieser Albtraum macht mich einfach wahnsinnig.«
Einige Schüler in ihrer Nähe drehen sich erstaunt um und kichern. Niemand gesteht in der Öffentlichkeit, dass er eine Strafe erhalten hat. Doch Macy ist das in diesem Augenblick egal, sie möchte nur Hailey wieder für sich gewinnen.
Diese wirft den tuschelnden Jugendlichen einen vernichtenden Blick zu und seufzt.
»Schon okay. Immerhin hat es ja niemand mitbekommen.«
»Du meinst im Gegensatz zu eben?«
Auch Macy zieht eine Augenbraue hoch und sieht die anderen, die über sie lachen, herablassend an. Als wäre ihr egal, was sie von ihr denken. Hailey weiß, dass es nicht so ist, aber solange Macy diesen Schein wahrt, verstummt das gehässige Getuschel viel schneller.
Das ist etwas, was Hailey ihrer Freundin schon am Anfang ihrer Freundschaft beibrachte. Immerhin kannte sich die Traumlose mit Getuschel und Gekicher aus. Auch, wenn niemand von ihren leeren Nächten wusste, so merkten die Kinder doch, dass sie anders war.
»Du musst einfach so tun, als wäre es dir egal. Dann macht es ihnen keinen Spaß mehr«, hatte Hailey eines Tages mit dem Mund voller Schokokuchen zu Macy gesagt, woraufhin einige Krümel auf der polierten Glasplatte des Tisches gelandet waren. Macy, die wegen ihrer widerspenstigen Haare zum Opfer des Gelächters wurde, hatte die Worte ihrer neuen Freundin staunend aufgesogen und seitdem waren sie die besten Freundinnen.
»Ich komme heute Nachmittag am besten zu dir, damit wir gemeinsam die Klamotten für dein Date mit Jules heraussuchen.«
Natürlich hat Hailey nicht vor, nach der Schule mit Macy nach Hause zu gehen. Sie muss in ihre eigene Wohnung, um sich die Testergebnisse anzuhören, deren Resultat sie schon lange kennt. Auch Macy ist dies bewusst, doch sie weiß auch, was Hailey mit diesem Satz bezwecken will. Tatsächlich verstummt das feindselige Gemurmel über Macys Albtraum und macht ungläubigen Gerüchten Platz. Macy, der Wuschelkopf, mit Jules? Mit dem Jules? Viele der Schüler nicken bestätigend und geben den Vorfall auf dem Pausenhof in ihren eigenen Worten wieder. Ausgeschmückt, verdreht und teilweise so falsch, dass Hailey am liebsten eingreifen würde. Aber sie hält sich zurück.
Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer und Hailey grinst siegessicher vor sich hin.
»Nochmal gut gegangen.«
»Immer wieder erstaunlich, wie leicht sich andere von solchen banalen Dingen ablenken lassen«, stimmt ihr Macy zu und schüttelt den Kopf. »Menschen und ihr Hang zum Klatsch.«
»Erstens: Erstaunt dich das wirklich? Zweitens: Als ob ein Date mit Jules eine Kleinigkeit wäre.«
»Da hast du wohl Recht«, antwortet Macy und ein seliges Lächeln legt sich auf ihre Lippen.
Den Rest des Schultages grinst sie verliebt vor sich hin und Hailey wagt es nicht, ihre Freundin aus den Tagträumen in die Realität zurückzuholen.
Schweigend packen sie am Ende der letzten Stunde ihre Sachen und machen sich auf den Heimweg.
»Ich weiß wirklich nicht, was ich tragen soll...«, unterbricht Macy schließlich die Stille.
»Auf keinen Fall die Schuluniform.«
»Haha«, antwortet Macy trocken und dreht nervös eine blonde Locke
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