Traummann mit Vergangenheit
einfach mal, wir beide wissen nämlich, dass es nicht wahr ist.“ Er stand auf. „Ich mache dir jetzt einen schwachen Tee. Den kannst du trinken, bis deine Mutter mit den Vorräten ankommt.“ Er war schon auf dem Weg nach draußen, als er stehen blieb. „Irgendwie hat es mich doch beruhigt, dass du krank bist.“
Ihr Gesichtsausdruck fror ein. „Was? Das findest du auch noch gut?“
„Nein, aber es beruhigt mich, dass du nicht zurückgerufen hast, weil du zu krank warst, um zu telefonieren. Und nicht, weil du mir aus dem Weg gehen wolltest.“
Sie griff nach einem Kissen. „Du Mistkerl!“, schrie sie und warf es nach ihm. „Geh und mach meinen Tee.“
6. KAPITEL
Nora lauschte, wie Stephen in ihrer Küche rumorte. Sie sagte sich, dass sie wütend auf ihn sein sollte. Aber sie konnte nichts gegen das Lächeln tun, das ihre Lippen umspielte.
Obwohl sie fast eine Woche damit verbracht hatte, sich alle paar Stunden zu übergeben, obwohl sie Fieber hatte und sich wie ein Häuflein Elend fühlte, spürte sie immer noch ein wohliges Kribbeln, wenn sie einfach nur in seiner Nähe war. Seine Untersuchung war vollkommen professionell gewesen und überhaupt nicht intim. Trotzdem hatte sie das Gefühl, dahinzuschmelzen.
Er hatte eine Affäre vorgeschlagen, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten. Ob er wohl immer noch daran interessiert war? Und wenn ja, was wollte sie? Ihr Körper sehnte sich geradezu schmerzhaft nach ihm – daran gab es keinen Zweifel. Aber was war mit dem Rest von ihr? Könnte sie ihr Herz da raushalten? Sie wollte sich nicht verlieben. Am allerwenigsten in ihn.
„Einmal schwacher Tee“, verkündete Stephen, als er zurück ins Schlafzimmer kam.
Er stellte die Tasse auf dem Nachttisch ab. Dann beugte er sich über sie und sammelte die Kissen von der anderen Seite des Bettes ein. Er schob die zusätzlichen Polster hinter ihren Rücken, damit sie eher aufrecht saß als lag. Schließlich gab er ihr die Tasse in die Hand.
„Trink das!“, befahl er.
„Bist du aber herrschsüchtig“, beschwerte sie sich.
Er hatte die dunkle Flüssigkeit mit Honig gesüßt. Es schmeckte angenehm.
Stephen setzte sich neben das Bett. Sie warf einen Blick auf seine graue Hose und das dunkelblaue Hemd, das er unter dem weißen Kittel trug. „Hast du etwa ein Wartezimmer voller Patienten im Stich gelassen, um zu mir zu kommen?“, fragte sie.
„Nein. Ich war für heute schon fertig. Um genau zu sein, war ich gerade dabei, mich fachlich auf dem Laufenden zu halten. Ich war in einen faszinierenden Artikel über die Behandlung von Borreliose vertieft.“
„Wird Borreliose nicht von Zecken übertragen? Die sich im Wald auf einen fallen lassen?“
„Ja, zum Beispiel.“
Nora erschauderte. „Igitt. Wenn ich nur daran denke, will ich den Rest meines Lebens im Haus verbringen.“
„Aber du bist auf einer Ranch aufgewachsen. Da bist du doch bestimmt gern an der frischen Luft.“
Sie betrachtete ihn über den Rand ihrer Teetasse hinweg. „Du hast zu viel Fernsehen geschaut. Es gibt immerhin einen Grund, warum ich die Ranch verlassen habe.“
Stephen lachte leise und lehnte sich in seinem Stuhl zurück und ließ dabei einen Knöchel auf dem anderen Knie ruhen. „Wolltest du schon immer Friseurin werden?“
Sie warf ihm einen bösen Blick zu. „Ich weiß, Haareschneiden ist nicht so wichtig wie jemandem das Leben zu retten. Aber das ist nun mal mein Job. Und ich bin gut drin.“
Er schüttelte den Kopf. „Nora, du machst mich wahnsinnig.“ Er seufzte. „Erzähl mir von deinem beruflichen Werdegang. Ich frage übrigens, weil es mich wirklich interessiert.“
Sie zweifelte nicht an seinen Worten. Es war nur so, dass die meisten Männer nicht gerade fasziniert von der Art und Weise waren, wie sie ihren Lebensunterhalt verdiente. „Ja, ich wollte schon immer Friseurin werden. Mit zwölf hab ich angefangen, meinen Brüdern und Schwestern die Haare zu schneiden. Als ich 17 war, habe ich mit der Ausbildung an der Kosmetikschule angefangen. Danach wurde ich im Snip ’n Clip eingestellt. Ich habe gespart und schließlich den Laden gekauft. Das war zwar mit einer Hypothek verbunden, aber als das Öl auf unserer Ranch gefunden wurde, haben Mom und Jack uns allen ein bisschen Geld geschenkt. Ich hab meins dazu verwendet, meine Schulden zu bezahlen. Daher gehört das Geschäft jetzt ganz und gar mir.“
„Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass du noch nicht mal 30 bist.“
„Damit hast du wohl recht.“
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