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Traumreisende

Traumreisende

Titel: Traumreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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sehr kleines Feuer an. Benala wartete, bis es zu Holzkohle heruntergebrannt war, bevor sie die Küchlein aus zermahlenen Samenkörnern aus ihrem Hüftbeutel nahm und in die Glut legte. Als das Essen fertig war, aß jede von ihnen zwei von den Pflanzenkeksen.
    »Hier ist etwas für dich«, sagte Benala. Sie legte das Ding, woran sie den ganzen Tag gearbeitet hatte, über das Feuer hinweg in die ausgestreckte Hand ihrer Freundin. »Später werde ich dir zeigen, wie du aus Häuten so etwas wie meines machen kannst, aber einstweilen wird dies genügen.« Beatrice sah sich Benalas Tragevorrichtung genauer an. Es handelte sich um eine erstaunliche Erfindung: Der Beutel war aus Quadraten zusammengesetzt und ließ sich so klein wie eine Brieftasche zusammenfalten. Wenn er gebraucht wurde, ließ er sich immer weiter auseinander falten, bis er die Größe einer Einkaufstasche hatte. Und die Leute glauben, wenn man nicht in einer Stadt lebt, wäre man ungebildet und nicht erfindungsreich, dachte Beatrice. »Vielen Dank«, sagte sie herzlich. »Ich fange an, mich wohler zu fühlen.«
    Benala hob das Opossum auf. Nachdem sie ihm den Kopf abgeschnitten hatte, zog sie ihm das Fell ab. Sie legte das Fleisch auf die Kohlen und die Haut auf den Boden. Mit Hilfe eines Schabemessers aus ihrem Beutel kratzte sie Fett und anderes Gewebe ab, das noch daran haftete. Sie entfernte das Gehirn aus dem Schädel und sagte zu Beatrice, das werde gebraucht, um die Haut damit abzureiben, wenn sie in den folgenden Tagen trocknete. »Wenn wir dein Kleidungsstück fertig haben, wirst du dich darin wie zu Hause fühlen!« fügte Benala hinzu, als sie den Tag beendeten. Beatrice lächelte und dachte bei sich: Ich fühle mich schon jetzt mehr und mehr zu Hause, dabei bin ich im Begriff, heimatlos zu werden.
    An ihrem vierten, fünften und sechsten gemeinsamen Tag wachte Beatrice vor Sonnenaufgang auf und wusste, was von ihr erwartet wurde. Sie füllte die Schlafmulde wieder aus, die sie am Vorabend hergerichtet hatte, und strich den Sand an der Oberfläche glatt. Mit gespitzten Lippen blies sie alle Spuren menschlichen Eingreifens fort. Benala schloss sich ihr bald an.
    Beide Frauen begrüßten den Morgen und beendeten das Ritual, indem sie den Tag der Göttlichen Einheit weihten. Beatrice verstand jetzt, dass, was immer an diesem Tag ihren Pfad kreuzte - jedes Geschöpf, jede Person und sogar das Wetter -, einen einzigartigen Daseinszweck hätte. Ihr Ziel war es, jedes Geschehen zu ehren, indem sie es akzeptierte, wenn sie es auch nicht unbedingt verstand. Das Leben im australischen Outback war nicht kompliziert. Es ging einfach darum, den Großen Geist zu ehren.
    Beatrice nahm den gewobenen Gürtel und den Beutel aus Schilfgras, den die Gefährtin ihr gegeben hatte, und legte beides an. Der Gürtel saß bequem auf ihrer Hüfte über der Opossumhaut, die nun in zwei kleinen Stücken daran hing, eines vorne, eines hinten. Ihre Brust blieb nackt, aber das störte sie nicht. Sie schüttelte den Kopf und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Der Schmutz, der sich während der letzten paar Tage angesammelt hatte, vermischte sich jede Nacht, wenn sie schlief, mit mehr Sand. Sie wusste nicht, wann oder wie sie in der Lage sein würde, ihn wieder zu entfernen, also musste gründliches Schütteln ausreichen. Benalas Beispiel folgend nahm sie Sand zwischen den Daumen und zwei Finger und steckte ihn in den Mund. Sie massierte ihr Zahnfleisch und fuhr sich mit dem Sand über die Zähne, bevor sie ihn ausspuckte. Ihr Mund fühlte sich frischer an. Gemeinsam reinigten die beiden Frauen die kleine Stelle, an der gestern Abend ihr Lagerfeuer gebrannt hatte, und versetzten sie in ihren unberührten Zustand zurück, ehe sie sich in der weiten Ebene wieder auf den Weg machten.

    Es wehte eine leichte Brise, so sanft wie von einem Liebhaber, der auf sich aufmerksam machen will, indem er jemanden schelmisch über die Wange bläst. Der ferne blaue Himmel hob sich mit einer klaren Linie von der braunroten Erde ab. In allen vier Himmelsrichtungen sah man die gleiche Landschaft: eine weite Ebene mit wenig Vegetation. Sie hatten einen Teil des Kontinents erreicht, der zu trocken und karg war, als dass die großen roten oder grauen Kängurus dort hätten leben können. Die einzigen hüpfenden Geschöpfe waren verschiedene Wüstennagetiere und immer mehr Kaninchen.
    Nachdem sie zwei Stunden gegangen waren, gelangten sie in ein Gebiet mit struppigem Gebüsch. »Wir warten hier«,

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