Traumreisende
der Stirn hatte sie weiße Tupfen. Alle vier lächelten, blieben aber sitzen, als das junge Mädchen zu ihnen ging und sich ihnen gegenüber hinsetzte.
»Warte hier. Du musst eingeladen werden, dich ihnen anzuschließen«, sagte Benala zu Beatrice, als sie vortrat und ihren Platz neben dem jungen Mädchen einnahm. Beatrice blieb in der Sonne stehen und fragte sich, wie sie beweisen sollte, dass sie es wert sei, sich diesem Kreis anzuschließen.
Die letzten vier Tage waren völlig anders gewesen als die ersten zweiundzwanzig Jahre ihres Lebens. Sie liebte ihre neue Freundin, mit der ihr die Reise leicht erschienen war. Sie freute sich darüber, dass deren Erklärungen ihr viele Fragen beantwortet hatten, aber dennoch fühlte sie sich immer noch unbehaglich. Tief in ihrem Inneren gestand sie sich ein, dass sie Angst hatte, mit der Entdeckung ihres Erbes vielleicht eine Art Büchse der Pandora zu öffnen, und sich später wünschen würde, sie hätte es nicht getan. Sie sehnte sich verzweifelt danach, stolz auf ihre Vorfahren sein zu können, sie zu verteidigen, sich ihrer zu rühmen, aber in diesem Augenblick war sie ganz und gar nicht überzeugt davon, dass es dazu kommen würde. Diese Leute sahen nicht wie Nachbarn aus, die einen Neuen in ihrem Viertel willkommen hießen.
Die Frau mit dem bemalten Körper und dem Federschmuck stand auf und ging ein paar Schritte weiter zu einer flachen Stelle, wo sie niederkniete, um die Steine zu entfernen und mit den Handflächen den Sand zu glätten, bis sie eine Fläche von etwa einem Quadratmeter gesäubert hatte. Dann kehrte sie in den Unterstand zurück, nahm einen kurzen, spitzen Stock und reichte ihn Benala, ehe sie sich wieder hinsetzte. Benala brachte den Stock hinaus in den Sonnenschein. Sie gab ihn Beatrice und sagte: »Bitte benutze die Zeichenfläche und zeichne ein Bild.«
»Ein Bild wovon?« fragte sie.
»Irgend etwas, das du diesen Menschen zeigen möchtest«, war die Antwort.
»Aber ich kann nicht zeichnen«, behauptete Beatrice.
»Natürlich kannst du zeichnen. Jeder kann zeichnen. Mach dir darüber keine Sorgen. Tu einfach, was du kannst. Also, zeichne ein Bild.«
Beatrice war völlig ratlos. Sie hatte keine Ahnung, was sie von ihr erwarteten oder wollten. War dies eine Prüfung, ein Spiel oder ein Scherz? Alle wirkten ernst, während sie darauf warteten, dass sie etwas täte. Sie waren freundlich, aber entschieden und ernst.
»Zeichne ein Bild«, hatte ihre Freundin gesagt. »Tu einfach, was du kannst«, hatte sie sie angewiesen. Also nahm Beatrice den Stock, und ohne sich etwas dabei zu denken, begann sie einen Kreis zu zeichnen. Darüber malte sie einen kleineren Kreis und fügte noch Linien hinzu. Sie fand, dass sich hier die sehr unkünstlerische Darstellung eines Kängurus abzuzeichnen begann. Als das Werk fertig war, stand sie auf, wandte sich entschuldigend an die Zuschauer und sagte: »Ich konnte noch nie gut zeichnen! Es tut mir leid.«
Die sechs Menschen gingen in einer Reihe hintereinander um die kindliche Känguruzeichnung herum und betrachteten sie zweimal. Dann kehrten sie zu ihren Sitzplätzen zurück. Ein paar Augenblicke lang flüsterten sie leise miteinander, bis Benala sich an Beatrice wandte und zu ihr sagte, sie solle kommen und sich neben sie setzen.
»Willkommen in diesem Kreis«, sagte Benala. »Dies ist Apalie, Wasserfrau«, sagte sie und stellte damit die Frau vor, die ihr gegenüber saß. Dann fuhr sie fort: »Wurtawurta, Federschmuck.« Dabei zeigte sie auf die weißhaarige Frau.
»Dies ist Mitamit, Geistwindläufer«, sagte sie und zeigte auf einen Mann, »und dies Googana, Regenmann«, womit der Weißbärtige gemeint war. »Die, die uns entgegengekommen ist, heißt Karaween, Flechterin von Schilfgraskörben.« Dann wandte sie sich an Beatrice und sagte: »Sie wissen, was man über dich berichtet, aber du musst ihnen persönlich sagen, wer du bist.«
»Ich bin Beatrice, und wie Benala wurde ich meinen Eltern nach der Geburt gestohlen. Ich bin zu euch gekommen, damit ihr mir dabei helft zu erfahren, wer ich bin.« Alle vorgestellten Stammesmitglieder nickten voller Verständnis und Zustimmung. Googana, der Regenmann, redete in seiner Stammessprache, die Beatrice bemerkenswert gut verstehen konnte.
»Wir haben dich gebeten, ein Bild zu zeichnen, weil es uns viele Antworten auf ungestellte Fragen gibt. Wenn ein Besucher Berge und Bäume zeichnet, dann sieht der unseren Staat als ein Territorium an, das er durchwandert.
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