Traumreisende
Lieblingsgegenstände, doch alles wurde geteilt, und wenn es Meinungsverschiedenheiten gab, trugen die Kinder sie untereinander aus.
Als Indigo ein Jahr alt war, beherrschte sie zwei Arten von Versteckspielen: Sie versteckte einen Gegenstand oder sich selbst. Mit drei konnte sie beim Sammeln und Zubereiten von Nahrung helfen, und sie verbrachte viel Zeit mit ihrer Großmutter, die Heilpflanzen für alle möglichen Verletzungen und Beschwerden sammelte und trocknete. Erzogen wurde sie mit erzählten Geschichten, Stammesliedern, Tänzen und Ritualen. In den ersten vier Jahren wurde kein Unterschied zwischen Mädchen und Jungen gemacht. Sie spielten zusammen, schliefen zusammen und halfen den Erwachsenen aus freiem Entschluss. Indigo war lieber mit ihrer Großmutter zusammen, als kleine Tiere oder Vögel zu fangen, was die Jungen und die älteren Mädchen gern taten. Manchmal führte die Suche nach einer bestimmten Heilpflanze die beiden weit vom Lager fort, und das war auch der Fall, als Indigo vier war und der Alptraum begann...
Sie waren den ganzen Tag unterwegs gewesen. Die Großmutter hatte das Tempo so gewählt, dass sie zurückkehren könnten, ehe das Kind zu müde würde und schlafen wollte. >Etwas ist nicht gut<, sagte die Großmutter, als sie um einen Sumpf herum in Richtung auf ihr Stammeslager zugingen. Es war still, zu still. Man hörte keine Vögel, ein schwerer Geruch von Blut lag in der Luft, und die Anwesenheit von etwas Unsichtbarem war fast greifbar. Die Großmutter konnte das Schlechte auf ihren Armen und im Nacken spüren, und ihr war, als habe sie einen Knoten im Magen. Sie blieb stehen, drehte sich um und sagte: >Sei ganz leise, Kleine. Bleib dicht hinter mir. Etwas ist nicht gut.< Sie näherten sich dem Lager, und die Stille wurde so verstörend, dass sogar das Kind etwas spürte, das völlig anders war als alles, was es kannte. In der Ferne konnten sie sehen, dass auch keine große Welle an den Strand schlug. Sogar die See schien den Atem anzuhalten.
Dann sah die Großmutter sie: zwei weiße Männer mit langen Hosen und schweren Stiefeln, die Gewehre trugen. Der eine Mann hatte rotes Haar und einen Vollbart, und der andere trug einen Hut, aber sie sah blondes Haar darunter hervorschauen. Sie sprachen miteinander, während der Mann mit dem Hut gegen etwas im hohen Gras trat. Der rothaarige Mann feuerte ins Gebüsch. Die Großmutter konnte kaum einen Schreckenslaut unterdrücken. Sie hörte zum ersten Mal einen Schuss, aber man hatte ihr schon von der Existenz einer solchen Waffe erzählt.
Seit Beginn der Zeit war ihr Volk der Hüter des Landes weiter im Süden gewesen. Viele weiße Siedler waren gekommen, und mit der Zeit hatte sich die anfängliche Freundschaft in Gewalt verwandelt. Zuletzt, nachdem sie versucht hatten, friedlich mit den Fremden auszukommen, erlagen einige Mitglieder des Stammes der Versuchung täglicher Nahrung in Tüten und Dosen, die ihnen ein Leben ohne Jagen und Fischen ermöglichte. Sie zogen freiwillig auf das Gelände einer Mission.
Andere, die wegen eines Verbrechens angeklagt worden waren, schienen gestorben zu sein, nachdem sie nur ein paar Stunden eingesperrt gewesen waren. Der Rest zog nach Norden in dieses Land, dessen Hüter geheimnisvoller weise verschwunden waren.
Die Großmutter drückte den Kopf des Kindes an ihr Bein und hielt ihn fest; beide zitterten. Langsam begannen sie sich zurückzuziehen, aber sie konnte den Geruch des weißen Mannes wahrnehmen, und er wurde stärker. Die Großmutter drückte Indigo so fest an sich, dass sie gegenseitig ihre Herzen klopfen fühlen konnten. Die nächsten paar Schritte führten über feuchten Grund, da sie sich in den Sumpf zurückzogen. Der Boden bestand knöcheltief aus Schlamm. Die Großmutter hob das Kind hoch und setzte es sich rittlings auf die linke Hüfte.
Während sie das Kind hochhob, hörte sie den Schlamm schmatzen und das Geräusch schwerer Stiefel, die auf sie zukamen. Das Wassergras war hüfthoch, aber dünn, nicht dicht genug, um sie zu verbergen. Sie ging jetzt nicht mehr mit normalen Schritten, sondern ließ die Füße unter der Wasseroberfläche und schob sie behutsam vorwärts. Sie wollte dem Geräusch der Schritte und dem seltsamen Geruch des weißen Mannes nach Alkohol, Tabak und Knoblauch nicht den Rücken zudrehen, aber sie hatte keine Wahl. Sie musste ein Versteck suchen. Ein Teil des Sumpfs war von diesem Gras bedeckt, ein anderer Teil war eine offene Wasserfläche. Auf der anderen Seite
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