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Traumreisende

Traumreisende

Titel: Traumreisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlo Morgan
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sie hier im Gras sah, war auch der Tod, aber hier erschien er ihr sehr schlimm. Die Großmutter musste eine Entscheidung treffen. Sollte sie Indigo verstecken, zurückgehen und nachschauen, was aus den anderen geworden war? Würde das Kind allein in Sicherheit sein? Würde es dort warten oder davon wandern?
    Was würde aus dem kleinen Mädchen werden, falls die Männer nicht fort wären und sie, die Großmutter, auch erschossen?
    Diese Männer waren Babymörder, wie das Kind zu ihren Füßen bewies. Die Gewehre schienen keine Altersgrenze zu respektieren. Nein, sie mussten gehen. Sie mussten diesen Ort sinnlosen Todes verlassen. Und so, ohne irgendeinen der Toten zu berühren, ohne sich weiter umzuschauen, gingen die Großmutter und Indigo fort.
    Das war 1870, vor sechsundachtzig Jahren. Ich bin Indigo, und ich habe im Laufe der Jahre mit mehreren unterschiedlichen Gruppen gelebt, aber die Geschichte ist dieselbe geblieben. Jahr um Jahr nahmen die fremden Siedler immer mehr. Es war eine andauernde Tragödie; sanfte Menschen wurden mit Süßigkeiten in religiöse Missionshäuser gelockt, die so schnell aus dem Boden wuchsen, wie man ein Zelt aufstellt. Eines nach dem anderen - gepflückt wie Blüten von einem Strauch -
    wurden unsere Sprache, unsere Bräuche, Überzeugungen, Spiele und Rituale uns genommen und getötet. Menschen, die nicht an Zucker, Mehl, Salz, Butter, Tabak und Alkohol gewöhnt waren, starben jetzt in sehr jungen Jahren an den Krankheiten des weißen Mannes. Ich weiß nicht, ob noch immer welche erschossen werden, aus Sport, zufällig, wie die neuen Siedler es mit den Kängurus und Koalas getan haben. Verstreute Flüchtlinge aus verschiedenen Stämmen haben uns gefunden, nachdem wir uns in der Wüste zusammengetan hatten. Für eine Weile war die Wüste der einzige Ort, den die Leute eines fremdländischen Königs anscheinend nicht haben wollten.
    Ja, das ist meine Geschichte. Ich habe meinen Namen im Laufe des Lebens mehrmals geändert, und jetzt bin ich als Wurtawurta bekannt. Ich habe acht verschiedene Talente erforscht, aus all meinen Erfahrungen Weisheit gelernt und bin jetzt eine Respektsperson im Stamm der >Wahren Menschen<.
    Jetzt, mit neunzig Jahren, fange ich gerade erst an, Federschmuck zu tragen und manchmal, bei weniger zeremoniellen Anlässen, meinen Körper zu bemalen.
    Ich war schon in den Bräuchen meines Volkes unterrichtet, als Großmutter und ich uns endlich der gemischten Gruppe von Flüchtlingen und Wüstenbewohnern anschlössen. Großmutters Körper passte sich nie ganz dem anderen Klima an, wo die Temperatur binnen Stunden von sengender Sonne zu Frost bei Mondschein wechselt. Sie sagte oft, ihre Knochen seien wund und schmerzten, aber es gelang ihr zu leben, bis ich das Alter von dreizehn Jahren erreicht hatte. Ich weiß noch, wie ich als Kind Großmutter in ihre tiefe Schlafmulde reinhalf, damit man sie mit Sand bedecken und so die geringe Körpertemperatur einer alten Frau bewahren konnte. Jetzt bin ich selbst eine alte Frau. Mein Kopf ist voll mit Geschichten, Liedern und Tänzen des Küstenstammes und auch dem Wissen der Leute, die ich jetzt als mein Volk betrachte. Großmutter sagte im Laufe der Jahre immer wieder: >Es gab keine Konflikte zwischen den Stämmen. Man singt, dass die Göttliche Einheit zuerst den Himmel und die Himmelsmenschen erschuf; dass wir aus Sternenstaub gemacht sind. Andere singen von Tiermenschen: Das ist kein Streitpunkt, nur ein Unterschied. Am Ende, im System der Ewigkeit, hat es keine Bedeutung. Alle Menschen sind Geister des Ewigen<, sagte sie, >selbst die blauäugigen Europäer, die diese Erde Australien nennen und denken, dass sie ihnen gehört. Für alle Seelen gelten dieselben Wahrheiten. Sie brauchen nicht zuzustimmen, aber Wahrheit ist Wahrheit, Geistesgesetz ist Gesetz, und so werden am Ende alle Menschen erwachen und wissen.<
    Einer von Großmutters häufigsten Aussprüchen war:
    >Leben ist Wandel. Mancher groß, mancher klein, aber ohne Wandel kann es kein Wachstum geben. Und Wandel und Wachstum sind weder mit Schmerz noch mit Opfer verbunden.<
    Wenn Benala zu uns gekommen war, saßen wir stundenlang fasziniert zusammen und erfuhren von den Ereignissen der Welt. Von Zeit zu Zeit ist sie in die moderne Welt zurückgegangen und mit weiteren Informationen wiedergekehrt.
    Und nun haben wir dich hier, noch einen Flüchtling. Ich fühle mich gesegnet, weil unsere Pfade sich gekreuzt haben. Es ist kein Zufall, es dient dem höchsten Wohl, und

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