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Traumschlange (German Edition)

Traumschlange (German Edition)

Titel: Traumschlange (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer Wekwerth
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im Griff. In einem Moment wirkte er zornig, nur um im nächsten Augenblick wieder völlig gefühllos zu sein.
    Jean ging zu Linda Summers hinüber. Er sah sie kurz an, dann packte er sie und warf sie sich über die Schulter, als wöge sie nicht mehr als ein Kleinkind.
    „Gehen wir“, sagte er tonlos.
     
     
    Als sie die Kellertreppe emporgestiegen waren, stießen sie auf die Leiche des Wächters. Wie eine zerbrochen Puppe lag er im klaren Morgenlicht und starrte aus gläsernen Augen in eine andere Welt. Abby sah das Einschussloch in seiner Stirn und schauderte.
    Vereinzelt erklangen Schüsse, aber dann kehrte eine seltsame Stille ein. Der Hof sah aus, als wäre ein Orkan darüber gefegt. Umgestürzte, leere Fässer waren über den Staub verteilt. Leichen lagen dahinter, manche sogar direkt darüber, als wollten sie das rostige Metall umarmen. Ein Verwundeter kreischte nach Hilfe. Abby zählte mindestens acht Tote, während sie langsam über den Hof schritt. Jean trug Linda schweigend hinter sie her.
    Plötzlich kam am Tor Bewegung auf. Erst jetzt entdeckte sie den verunglückten Polizeijeep, der wie eine Schildkröte auf dem Rücken lag, die zerfetzten Reifen anklagend zum Himmel gestreckt. Auch dort lagen Leichen, doch Abby konnte nicht sehen, wie viele es waren. Hier hatte ein regelrechter Krieg stattgefunden. Anscheinend war die Polizei eingetroffen und auf erbitterten Widerstand gestoßen. Nun lebte bis auf den einzelnen Verwundeten niemand mehr. Abbys Blick streifte die Baracke der Arbeiter. Kein Laut war daraus zu vernehmen. Die Tür war verriegelt. Entweder waren auch dort alle dort, oder die Sklaven waren derart verängstigt, dass sie sich nicht zu rühren wagten. Ohne Vorwarnung überfiel Abby eine grenzenlose Erschöpfung. Ihre Beine zitterten. Sie musste sich hinsetzen. Die Ereignisse der letzten Tage waren zuviel gewesen. Sie musste husten und spuckte schwarze Klumpen in den Staub.
    Der Motor eines Wagens jaulte auf, dann durchbrach eine schwere Polizeilimousine den Zaun neben dem Toreingang und jagte auf sie zu. Mit blockierenden Rädern bremste das Fahrzeug vor Abby ab. Männer in Uniformen sprangen aus dem Wagen. Waffen wurden auf sie gerichtet. Jemand packte sie unsanft und drehte ihr die Arme auf den Rücken. Neben ihr wurde Jean der gleichen Prozedur unterzogen. Die Polizisten warfen sich auf ihn, ohne darauf zu achten, ob sie Frau auf seinem Rücken verletzten. Abby stöhnte.
    „Was soll das?“, zischte sie einen der Beamten an, der sie festhielt.
    Ein Polizeioffizier trat heran und betrachtete sie eingehend. Es war ein großer Mann mit mächtigem Brustkorb, der seine Uniform spannte. Sein schwarzer Schädel war kahl, obwohl er erst knapp dreißig Jahre alt sein konnte. Kleine, zusammengekniffene Augen musterten sie eindringlich.
    „Sind Sie Abby Summers?“, fragte er auf Englisch.
    Abby nickte.
    Der Mann gab einen Befehl. Abby wurde losgelassen.
    „Mein Name ist Benedict Morse. Ich bin Richard Morses jüngerer Bruder. Er hat mir Ihren Brief gegeben. Wir kamen so schnell wir konnten, mussten uns aber den Weg regelrecht freikämpfen. Tontons! “ Er spie verächtlich auf den Boden.
    „Ist das Ihre Schwester, die Sie in dem Brief erwähnen?“
    „Ja.“
    „Sie lebt also“, stellte Morse befriedigt fest.
    Abby zuckte mit den Schultern. Was sollte sie darauf antworten?
    „Wer ist der Mann?“
    „Jean Mitchard. Ich habe ihn in dem Brief erwähnt.“
    „Ah ja, ich erinnere mich. Der Arzt, der vergiftet wurde.“
    Sein Kopf nickte in Jeans Richtung. Sofort ließen ihn die Polizisten los.
    Morse sah sich langsam im Hof um. Sein Gesicht zeigte keine Regung angesichts der vielen Toten.
    „Wo ist dieser Bastard Castor und sein elender Sohn?“
    „Patrick Ferre ist tot“, erklärte Abby. „Er liegt unten im Keller. Sein Stiefvater hat ihn erschossen. Wo Castor ist, weiß ich nicht.“
    „Na, hier ist er jedenfalls nicht“, knurrte Morse. Er gab Befehle an seine Männer, die losstürmten, um die Gebäude abzusuchen.
    Zehn Minuten später war klar, dass Castor die Flucht gelungen sein musste. Die Reifenabdrücke des schweren Geländewagens führten direkt ins Zuckerrohrfeld und die Beamten fanden die Stelle, an der Castor den Zaun durchbrochen hatte und auf einen schmalen, ungepflasterten Weg abgebogen war. Morse fluchte in einem fort.
    „Dieser Mistkerl ist bestimmt schon fast in der Dominikanischen Republik. „Scheiße!“
    Abby war zu müde, um sich darüber aufzuregen. Ihr Blick fiel

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