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Traumtagebuecher

Traumtagebuecher

Titel: Traumtagebuecher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Sarafin
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Arsch!« Ich wäre beinahe ertrunken, weil ich daran was? Glaubte? Wütend sprang ich auf, doch die Flut des Erinnerung war noch nicht versiegt und ließ mich reglos verharren. Den Tag bei meinem Großvater. Ich war wieder dort. Acht Jahre alt und verängstigt. In allen möglichen und unmöglichen Ecken versteckte sich die Finsternis, spinnbeinige Schrecken, gruselige Schatten, seltsame Wesen mit noch seltsameren Fell und merkwürdige Geräusche aus dem Nichts – und da waren die Jungen. Jonah war dort gewesen!
    Nein … Ich schüttelte den Kopf. Jonah war nicht nur dort gewesen, er hatte mir die Finsternis und die Schatten auf den Hals gehetzt, mir Angst gemacht, bis ich schreiend und wimmernd von meinem Vater gefunden worden war. Noch heute träumte ich von diesen Wesen und hatte Panik vor jeder einzelnen Nacht, vor der Dunkelheit an sich.
    Ich schlug Jonah wieder und traf ihn, obwohl er inzwischen ebenfalls aufgestanden war und es ein leichtes für ihn gewesen wäre, dem Hieb gegen die Schulter auszuweichen.
    »Bist du fertig?« Er zog eine Augenbraue hoch und wirkte so, als hätte der Schlag nicht wehgetan.
    »Noch lange nicht«, behauptete ich drohend, klammerte mich an meiner Wut fest, um nicht in Panik zu geraten, und machte einen Schritt auf ihn zu. Aber er wich nach hinten zurück. Mit aller mir zur Verfügung stehenden Selbstbeherrschung ließ ich ihn. Schlagen konnte ich ihn auch später noch. Jetzt zählte die Wahrheit.
    »Du hast versucht mir Angst zu machen …?«
    »Wieso versucht? Es hat doch fantastisch funktioniert!« Jonah lachte, aber unter seinem Lachen lag etwas anderes. Bedauern vielleicht.
    »Wieso?«
    Er legte den Kopf schräg und betrachtete mich mit einem merkwürdig abschätzenden Ausdruck. Obwohl sein Blick immer wieder zu den Schatten hinter mir glitt, ließ ich ihn nicht aus den Augen. Schließlich meinte er: »Du hast es wirklich nicht begriffen, oder?«
    »Nein, ich stelle nur gerne blöde Fragen.« Still ergänzte ich: Und wenn du sie nicht gleich beantwortest, bist du derjenige, der wieder in dem Bassin landet. Inzwischen war es mir nämlich beinahe egal, wer gut und wer böse war. Ich fror erbärmlich, wusste immer noch nicht mehr als am Anfang und meine beste Freundin schlief immer noch den Schlaf der Gerechten.
    »Gib mir die Uhr!«, verlangte Jonah plötzlich.
    »Nein.« Aus reiner Gewohnheit widersprach ich. Erst danach fiel mir ein, dass ich sie gar nicht mehr hatte.
    »Es endet hier, wo es auch angefangen hat.« Jonah machte eine wegwischende Handbewegung und korrigierte sich. »Eigentlich sollte es in Ranulfs Haus enden, aber dazu ist es wohl zu spät.«
    »Stattdessen endet es hier …« Ich sah mich um und runzelte die Stirn, bei dem Anblick des Zeltes »… an deinem Zweitwohnort. Oder dem Erstwohnort deines Bruders?«
    »Ja, entbehrt nicht einer gewissen Ironie«, gab Jonah zu und lachte. »Ist übrigens wirklich die Elmstreet 13.« Kurz schien er mit seinem Gewissen zu hadern. Dann fand er seine eigentliche Motivation wieder. »Doch trotz aller Umstände hast du kein Anrecht auf Ranulfs Erbe. Du hast es damals nicht akzeptiert, nicht mit zehn Jahren und auch dieses Mal nicht.«
    Ich zuckte mit den Achseln. Wenn es nur darum ging. »Ich will sein Erbe überhaupt nicht.«
    Ich konnte spüren, wie sich hinter mir etwas bewegte, drehte mich aber nicht um. Trotz des unheilvollen Flüsterns, meiner Nackenhaare und der plötzlichen Kälte. Jonah ließ nicht erkennen, dass er Angst hatte, also hatte ich auch keine. Ganz einfach.
    »Sie hat uns nicht akzeptiert. Sie hat sogar Angst vor uns!« Er sprach an mir vorbei. Zu wem auch immer. Dann wandte er sich wieder an mich. »Er hat dir die Uhr gegeben. Wieder und wieder. Aber du hast sie nicht verdient.«
    »Du hast sie mir doch heute Nachmittag sogar zurückgegeben«, widersprach ich seiner Unlogik.
    »Nein, habe ich nicht und hätte ich auch nie«, korrigierte er und ich glaubte ihm. So merkwürdig eine immer wiederkehrende Uhr auch war, sie stand noch ziemlich weit unten auf meiner Tagesliste der kuriosen neuen Realitäten. Viel weiter oben standen Nachtmahre, Schatten, gute Brandstifter und schlafende Mädchen. Deswegen hielt ich Jonahs Blick auch relativ ungerührt stand. Er wirkte verletzt und wütend, und war schließlich derjenige, der zu Boden sah. »Du hast sie einfach nicht verdient. Hattest es nie.«
    Platz eins der Rangliste wurde neu besetzt. Denn so seltsam es war, aber ich konnte keine Wut mehr aufbringen. Nur

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