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Traumzeit

Traumzeit

Titel: Traumzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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erreichte schließlich das andere Ende. In der Felswand vor ihr entdeckte sie eine Öffnung. Hier ging der Pfad weiter.
    Joanna zögerte. Hinter der Öffnung gähnte eine noch tiefere Schwärze. Und der Weg führte noch steiler in die Tiefe. Sie dachte daran, daß sie keine Fackel mehr hatte. Sie dachte an das Tageslicht weit, weit oben, wo Lisa auf sie wartete. Aber dann spürte sie den magischen Ruf des Berges.
    Sie ging weiter.
    *
    Lisa lief zögernd durch den dunklen Gang. Sie tastete sich an der Felswand entlang und setzte ängstlich einen Fuß vor den anderen. Sie hätte sich eine so absolute Dunkelheit niemals vorstellen können. Auch in mondlosen Nächten auf Merinda, wenn die Sterne hinter Wolken verschwanden, war das Dunkel nie so schwarz gewesen. Sie wußte, ihre Mutter war ihr nur wenige Minuten voraus, aber da sie nur langsam vorwärtskam, würde sie Joanna möglicherweise nicht einholen.
    Lisa blickte auf ihrem Weg durch die Dunkelheit angestrengt geradeaus, als könne sie dadurch vielleicht doch etwas sehen. Sie hoffte inständig, daß bald der Schimmer der Fackel vor ihr aufleuchten würde.
    Irgendwann blieb sie stehen und drehte sich um. Der Höhleneingang war von der tintenschwarzen Dunkelheit verschluckt, die sie umgab. Vom Sonnenlicht draußen war nichts mehr zu sehen.
    Sie kaute auf ihrer Unterlippe. Ihr Mund war trocken. Dann ging sie zögernd weiter, tastete sich Schritt für Schritt vorwärts. Sie fürchtete, plötzlich mit der Hand ins Leere zu greifen und in bodenlose Tiefen zu stürzen. Wenn solche Vorstellungen sie zu überwältigen drohten, sagte sie sich mutig, auch ihre Mutter habe sich nicht gefürchtet, in das Innere des Berges zu gehen. Lisa erinnerte sich ebenfalls daran, daß ihre Großmutter hier gewesen war und den Berg wieder verlassen hatte. Sie klammerte sich an den Gedanken, daß Generationen von Frauen diesem Pfad gefolgt waren und es überlebt hatten. Sie wußte, er konnte nicht ewig weitergehen. Er mußte ein Ende haben.
    »Mutter!« rief sie. »Mutter, wo bist du?«
    Aber die einzige Antwort waren die Echos ihrer eigenen Stimme, die von überall zu kommen schienen.
    »Mutter!« rief sie noch einmal und unterdrückte ihre Angst.
    *
    Nachdem Joanna die Öffnung am anderen Ende des Teichs durchschritten hatte, stellte sie zu ihrer Erleichterung fest, daß das grüne Leuchten auch weiterhin ihren Weg erhellte. Sie befand sich in einem breiten Gang mit Ritzzeichnungen und Malereien an den Wänden. Aber sie sah, daß diese Bilder sich von denen unterschieden, die sie bis jetzt gesehen hatte – Bilder von kämpfenden Männern und Jägern. Die Darstellungen hier wirkten sehr viel älter und sie zeigten nur Frauen. Die grob gezeichneten Figuren von Schwangeren und Gebärenden zeigten Stationen des Lebens. Es roch merkwürdig. Joanna versuchte, die Gerüche zu identifizieren, aber sie konnte dabei nur an Blut und Staub denken. Sie ging an immer neuen Szenen vorüber: Frauen mit großen Brüsten und ungeborenen Kindern im Mutterleib, Frauen unterwegs, die einem langen gewundenen Pfad folgten. Dieser Pfad bestand aus den vertrauten geschwungenen Linien, Punkten und Kreisen, die, wie Joanna inzwischen wußte, typisch für die Kunst der Aborigines waren. Ihr wurde klar, daß sie die Darstellungen alter Traumpfade vor sich hatte. Frauen hatten sie aufgezeichnet, an die sich niemand mehr erinnerte. Und sie fragte sich, ob sie in einer fernen, vergessenen matriarchalischen Zeit entstanden waren.
    Joanna ging immer tiefer in den Berg hinein. Andere Gerüche schlugen ihr entgegen.
    Ja, es roch nach Lehm und Schimmel, auch fast wie nach Pilzen und etwas Klebrigsüßem. Das grüne Leuchten gab ihr das Gefühl, in einem tropischen Meer zu schwimmen. Sie glaubte sogar, Salzwasser zu riechen und die See.
    Plötzlich endete der Gang, und Joanna befand sich am Eingang einer großen, grottenähnliche Höhle. Sie war feucht und schimmerte grünlich.
    Sie blieb wie angewurzelt stehen. Dort oben sah sie es! Das also hatte sie nach so vielen Jahren und über so viele Meilen hinweg hierher geholt. Ja, sie war endlich am Ziel.
    *
    »Mutter!« rief Lisa ängstlich. »Wo bist du?«
    Sie kämpfte gegen die aufsteigende Panik an. Sie versuchte, ruhig zu bleiben. Aber die undurchdringliche Schwärze machte ihr Angst. Sie nahm kein Ende. Vielleicht war sie in einen falschen Gang geraten? Vielleicht kam sie nie wieder zum Ausgang zurück? Was sollte sie tun, wenn sie hier unten in diesem schrecklichen Berg

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