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Traveler - das Finale

Traveler - das Finale

Titel: Traveler - das Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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einem Stahlträgergerüst bestanden, dessen Zwischenräume mit dicken Glas- oder Kunststoffscheiben verschlossen waren.
    »Und was kommt jetzt?«, fragte er. »Was soll ich tun?«
    »Wir warten auf den Hirten«, antwortete der größte der Männer.
    »Ich habe nichts verbrochen«, sagte Michael. »Ich habe Spark geerntet und mich an eure Gesetze gehalten.«
    Der jüngste Streiter wiederholte, was Verga draußen auf
dem Wasserfeld gesagt hatte: »Alles ist gut, wenn ein jeder seinen Teil erfüllt.«
    Eine in die dunkelgrüne Hirtentracht gekleidete Gestalt trat aus einem der Türme und ging direkt auf die kleine Gruppe zu. Es handelte sich um den blonden Mann, der im Visionär das Hochzeitsritual – und die Hinrichtungen – geleitet hatte.
    »Hat er Ärger gemacht?«, fragte er.
    »Nein, Sir.«
    Der Hirte musterte Michaels Gesicht. »Ich glaube, er will fliehen.«
    Der große Streiter packte seinen Holzknüppel mit beiden Händen, ging einen Schritt auf Michael zu und schlug ihm mit aller Kraft in den Magen, direkt unterhalb des Rippenbogens. Michael schnappte nach Luft und ging zu Boden.
    »Es gibt kein Entkommen, deswegen sollten Sie nicht einmal drüber nachdenken«, sagte der Hirte ruhig. »Stehen Sie auf und folgen Sie mir.«
    Mühsam stand Michael auf und humpelte los. Als sie sich etwa zwanzig Meter von den Streitern entfernt hatten, drehte der Hirte sich zu ihm um und fragte: »Wie nennen Sie sich?«
    »Tolmo.«
    »Jede bewusste Lüge ist wie Dreck auf dem Altar unserer Republik. Sie sind kein Diener namens Tolmo. Jeder Kragen ist auf seinen Träger abgestimmt. Ich bin mir sicher, dass Tolmo gerade tot in einem Wasserfeld treibt oder in einem Erdloch verrottet.«
    Michael nickte. »Er hat sich umgebracht.«
    »Ah, jetzt verstehe ich. Die Diener haben sich ums Drei sollt ihr sein gesorgt, und dann kamen Sie dazu.«
    »Ja, so ist es gewesen. Ich heiße Michael.«
    »Ein ungewöhnlicher Name. Aber nicht ungewöhnlich für einen Barbaren, der aus dem Vorland den Weg zu uns findet.«

    Sie erreichten den Fuß des Turmes, und der Hirte führte ihn über einen gewundenen Fußweg auf eine Schiebetür zu, die sich öffnete und den Blick in eine unterirdische Halle freigab, deren verglaste Wände ein grünliches Licht ausstrahlten.
    »Elektrischer Strom«, murmelte Michael.
    »Wie bitte?«
    »Sie benutzen hier keine Fackeln oder Öllampen.«
    »Der Einsatz der heiligen Kraft beschränkt sich auf die Tempelanlagen und den Visionär.«
    Am Ende der Halle öffnete sich eine Aufzugtür, und der Hirte bedeutete Michael einzutreten. Der Aufzug glitt unter leisem Knirschen hinauf. Als die Tür sich wieder öffnete, sah Michael einen großen, sternenförmigen Raum. Es gab hier keine Möbel, nur nackten Steinboden. Die steile Fassade des Turms bestand aus aneinandergefügten, gläsernen Dreiecken, und nach oben hin verschwanden die Wände in der Dunkelheit.
    Der Hirte blieb im Aufzug stehen. In einer frommen Geste legte er die Hände aneinander. »Ihnen wurde ein großes Privileg zuteil. Sie dürfen die Macht der Götter erfahren. Die Diener und die Streiter beten sie aus der Ferne an. Wir Hirten begegnen ihnen höchstens ein oder zwei Mal im Leben.«
    »Wie meinen Sie das – die Götter?« Michael sah sich um. »Hier ist niemand.«
    »Die Götter werden sich Ihnen offenbaren, wenn Sie sich gläubig und gehorsam zeigen.« Die Aufzugtür schloss sich, und Michael war allein.
    Die Turmfassade bestand aus Rauchglas, das ein wenig Licht hereinließ, jedoch keinen Blick hinaus erlaubte. »Hallo?« , rief Michael. »Ist da jemand?« Er pfiff und klatschte in die Hände, und von den Glaswänden hallte ein Echo zurück.
    Er setzte sich auf den Fußboden und lehnte sich für eine Weile ans Glasfenster, dann legte er sich hin und schob sich
die Arme unter den Kopf. Immer wieder kamen ihm die gevierteilten Gefangenen im Visionär in den Sinn. Diese Gesellschaft kannte nur drei Klassen – Diener, Streiter, Hirten –, und er gehörte keiner davon an. Der blonde Mann hatte ihn einen »Barbaren« genannt, genauso gut könnte man ihn hier für einen Ketzer oder einen Kriminellen halten.
    Als er Stunden später aufwachte, war es im Raum dunkel und wesentlich kälter geworden. Die anderen acht Türme strahlten hell, dennoch hatte er das Gefühl, in einer dunklen Höhle zu sitzen. Michael stand auf und lief herum. Er bemerkte einen Luftzug auf seinem Gesicht. Wie ist das möglich? Er befand sich in einem fensterlosen Gebäude. Michael

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