Traveler - das Finale
begleitete, traf Hollis sich über dem Falafel-Imbiss mit Linden. Der Franzose saß am Fenster und krümelte schwarzen Tabak auf ein Blatt Zigarettenpapier. Er rollte es zwischen seinen fleckigen Fingern zu einem Röhrchen und nickte Hollis zu. Bitte sehr. Reden Sie.
»Gabriel sagt, Sie könnten mir dabei helfen, nach Japan zu reisen.«
Der große Mann zündete die Zigarette an und schnipste das abgebrannte Streichholz durch den Fensterspalt. Der Tabakqualm roch ganz schwach nach Karamell. »Ich habe über eine meiner luxemburgischen Firmen ein Ticket für Sie gekauft.« Er griff in die Innentasche seiner Jacke und zog ein Flugticket und ein Bündel britischer Pfundnoten heraus. Beide Überraschungen warf er auf den Tisch.
»Vielen Dank.«
»Pas de quoi. Es war nicht meine Idee.«
»Dann richten Sie Gabriel meinen Dank aus.«
»Mr. Wilson, von nun an stehen Sie mit uns nicht länger in Verbindung. Aber vergessen Sie eins nicht: Falls Sie irgendjemandem vom Traveler erzählen, werde ich Sie zur Rechenschaft ziehen.«
Auf dem Tisch stapelten sich mehrere Zeitungen, und Hollis vermutete unter der Ausgabe von Le Monde eine Schusswaffe. Er fragte sich, ob ihm, falls die Situation eskalierte, genug Zeit bliebe, sein Messer zu ziehen und es in Lindens Brust zu rammen.
»Ich schätze Gabriel sehr«, sagte Hollis, »und daran wird sich niemals etwas ändern. Ich halte meine Versprechen, das wissen Sie.«
Anscheinend stellte Linden eine Gleichung mit einem halben Dutzend Faktoren auf, die sich in irgendeiner Form auf Hollis’ Tod bezogen. Aber dann erschien es ihm wohl vorteilhafter, Hollis am Leben zu lassen. Der Harlequin zuckte die Achseln.
»Au revoir, Mr. Wilson.«
»Einen Moment noch. Ich möchte eine Japanerin treffen, von der Gabriel mir erzählt hat – die Frau, die mit den Toten spricht. Er sagt, Sie wüssten, wo sie zu finden ist.«
»Man nennt sie eine Itako . Sie sollten sich mit einem alten Bekannten von Sparrow unterhalten, einem Lehrer namens Akihido Kotani. Nachdem Sparrow damals in Osaka beim Überfall auf das Hotel umgekommen war, kümmerte Kotani sich um den Leichnam und half Sparrows schwangerer Frau, aus dem Land zu fliehen. Ich hatte jahrelang Kontakt zu ihm, aber irgendwann beantwortete er meine E-Mails nicht mehr. Einmal hat er mir jedoch Bücher geschickt, und ich habe immer noch seine Visitenkarte.«
»Mehr nicht? Nur eine Visitenkarte?«
»Ihr Problem, Mr. Wilson. Lösen Sie es allein.« Linden zog eine zerknitterte Visitenkarte heraus und legte sie auf den Tisch. Sie war zweisprachig.
AKIHIDO KOTANI – BUCHLADEN ZUM WEISSEN KRANICH – JIMBōCHō – TOKIO
Hollis’ Flugzeug landete am frühen Nachmittag auf dem Narita Airport. Er benötigte eine Stunde, um durch die Passkontrolle zu kommen. Nach einer Reihe höflicher Fragen bat der Einwanderungsbeamte den Fremden, seinen Koffer zu öffnen. Die Stimmung war angespannt und fast schon feindselig, bis Hollis einen Karateanzug und zwei Bücher über japanische
Kampfkunst in die Höhe hielt, die er in London erstanden hatte. Der Einwanderungsbeamte nickte anerkennend, als hätten sich damit alle Fragen erledigt, und Hollis durfte den Kontrollbereich verlassen.
Er wechselte etwas Geld und nahm den Zug nach Tokio, der durch die mit zwei- und dreistöckigen Betonblocks zugebauten Vororte fuhr. Jede Privatwohnung verfügte über einen kleinen Balkon mit Hibachi-Grill, ein paar Plastikstühlen und einem eingetopften Strauch, der für einen Tupfer Grün sorgte. Der Winter war vorbei, trotzdem war es noch sehr kalt. Der Himmel war perlgrau, und von den blau gedeckten Dächern hingen kleine Eiszapfen.
Der emsige Schaffner in der adretten Uniform beäugte Hollis misstrauisch, als er dessen Fahrkarte abstempelte. Er entspannte sich jedoch, als der Fremde ein Kampfkunst-Buch aus seinem Rucksack zog. »Sie Student?«, fragte er.
»Ja. Ich bin nach Japan gekommen, um Karate zu lernen.«
»Gut. Karate sehr gut. Immer auf Sensei hören!«
Am Ueno-Bahnhof zog Hollis sich in eine der Kabinen der Herrentoilette zurück. Er löste die Abdeckung seines Laptops, nahm eine Porzellanklinge und einen Griff heraus und fügte die Teile mit Epoxidkleber zusammen. Die zwanzig Zentimeter lange Keramikklinge war leicht, widerstandsfähig und sehr scharf. Hollis ließ das Messer in die Nylonscheide gleiten, die er an seinem Unterarm befestigt hatte, und entsorgte den Computer.
Die Japaner betrachteten ihn als Gaijin , als einen »Menschen von
Weitere Kostenlose Bücher