Traveler - das Finale
angezweifelt.
Die Lösung des Problems lag nahe, dennoch hatte Boone keine Lust, den Befehl zu erteilen. Es war allein die Schuld von Martin Doyle, er war wie ein Geschwür, das einfach nicht verheilt. Boone hatte sechs Jahre seines Lebens geopfert, um die Vision der Bruderschaft Wirklichkeit werden zu lassen. Das Panopticon sollte eine neue Gesellschaftsordnung entstehen lassen, in der Subjekte wie Doyle aufgespürt, dingfest gemacht und eliminiert würden. Nun aber sollte der Dämon losgelassen werden, und Boone selbst war derjenige, der die Gefängnistür öffnen sollte.
Boones Communicator piepte ein weiteres Mal, so als erwarte er eine Antwort. Boone schaltete sein Satellitentelefon ein und rief Gerry Westcott an, den Londoner Abteilungsleiter.
»Ich habe die Bilder von der Insel gesehen.«
»Haben Sie das asiatische Mädchen erkannt?«, fragte Westcott. »Es scheint dasselbe zu sein wie auf den Bildern aus der New Yorker U-Bahn.«
»Ich bin gegen eine Eliminierung«, sagte Boone. »Wir sollten sie arretieren, damit ich sie befragen kann.«
»Das könnte schwierig werden.«
»Sie bekommen zehn bis zwölf Stunden, das Ganze zu organisieren. Falls sie auf dem Weg nach London sind, werden sie die Fähre von Dublin nach Holyhead nehmen.«
»Da bin ich Ihrer Meinung. Es wäre zu riskant zu fliegen.«
»Bitte bringen Sie mich alle drei Stunden auf den neuesten Stand. Danke.«
Als Boone das Telefon ausschaltete, flatterte erneut ein Blütenblatt herunter und landete genau auf seinem Kopf. Alle Kinder kicherten laut, als er es herunterwischte.
»Verzeihung, Sir.« Squires stand vor ihm. »Ich glaube, Mr. Doyle wird gerade entlassen.«
Boone nahm sein Fernglas und ging um den Stamm des Feigenbaums herum. Captain Tansiri hatte Doyle vom Verwaltungsgebäude zum Lieferwagen eskortiert, und nun war der große Amerikaner dabei hineinzuklettern.
»Ist er das?« Horsley wirkte wie ein Junge, der zur Jagd mitgenommen wird.
Boone nickte. »Auf geht’s.«
Die drei Ausländer setzten ihre Motorradhelme auf, griffen zu den Lanzen und sprangen hinter den thailändischen Fahrern auf die Motorräder. Sekunden später hatten sie die Verfolgung des Lieferwagens aufgenommen, der Doyle zum Bangkoker Flughafen bringen sollte. Die ersten Kilometer
legten sie ohne jeden Zwischenfall zurück. In gemächlichem Tempo fuhr der Lieferwagen die zweispurige Landstraße entlang, vorbei an mit Schilf gedeckten Hütten und Gemüsegärten. Boones Helm hatte keine Lüftungsschlitze, und der Schweiß lief ihm in den Nacken.
»Der Vogel wird nichts versuchen«, sagte Horsley ins Helmmikrofon. »Vielleicht hat er unsere Hirtenstöcke gesehen.«
»Bleiben Sie sitzen«, sagte Boone, »wir folgen ihm bis zum Flughafen.«
Etwa dreißig Kilometer hinter dem Gefängnis erreichte der Lieferwagen eine größere Stadt, die offenbar auf die Herstellung und den Verkauf von Seidenstoffen spezialisiert war. Aus einer privaten Werkstatt rann ein kleiner Bach aus dunkelroter Farbe, die sich in den Rinnstein ergoss. In den Hinterhöfen trockneten Seidenbahnen an den Wäscheleinen, so hauchfein und transparent, dass die Sonne die Farben zum Glühen brachte. Boone musste an das kleine Mädchen denken, das neben den Nonnen auf dem Anleger gestanden hatte.
In der Stadtmitte lag ein Marktplatz mit hölzernen Ständen, die kaum größer als Abstellkammern waren. Überall standen mit Waren beladene Ziehkarren herum, und Marktfrauen hockten hinter Orangenpyramiden. Der Lieferwagen musste anhalten, um einen Ochsenkarren über die Straße zu lassen. Plötzlich sprang Doyle heraus. Anscheinend hatte er keine Angst vor dem Fahrer oder den Polizisten. Er stieß über die Schulter eine Drohung aus und schlenderte dann in die Menge hinein.
»Mr. Horsley macht den Anfang«, sagte Boone ins Mikrofon, woraufhin der Australier seinem Fahrer auf die Schulter klopfte. Das Motorrad stob davon, und das Hinterrad schleuderte rote Dreckspritzer in die Luft. Trotz des Trubels auf dem Marktplatz hörte Doyle den Motor aufjaulen. Er blieb stehen, drehte den Kopf und sah einen Mann mit schwarzem
Helm, der seine weiße Lanze geradeaus gerichtet hielt und auf ihn zugeschossen kam wie ein Ritter bei einem mittelalterlichen Turnier.
Der Flüchtling fing zu rennen an. Er versuchte, sich hinter einer jungen Frau, die einen Korb mit Paprika auf dem Kopf balancierte, zu verstecken, aber sie sah das herannahende Motorrad und sprang zur Seite. Die Lanze traf Doyle am linken Schulterblatt.
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