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Traveler - das Finale

Traveler - das Finale

Titel: Traveler - das Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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vermutlich auf die St. Anne’s in Wales.
    »So ist es das Beste, Liebes«, hatte Schwester Ruth erklärt. »Du solltest mit Gleichaltrigen zusammen sein.«
    »Feldhockey!«, rief Schwester Faustine mit lauter, fröhlicher Stimme. »Feldhockey und anständige Spiele! Kein Herumhüpfen mit Messern mehr!«
    Weil die Tabula den Flugverkehr überwachten, fuhren Alice und Schwester Joan mit Überlandbussen durch Irland und nahmen schließlich die Fähre von Dublin nach Holyhead. Nun saßen sie im Zug nach London, wo Maya sie vom Bahnhof abholen würde.
    Schwester Joan hatte das Geometriebuch in Alice’ Rucksack gesteckt. Falls Alice aufstehen und den Schaffner oder die anderen Fahrgäste stören sollte, würde sie zur Strafe das Kapitel über rechte Winkel wiederholen müssen. Nun saß sie am Fenster, schaute sich die kleinen walisischen Dörfer an und versuchte, die Namen richtig auszusprechen. Penmaenmawr, Abergele und Pensarn. Der Himmel war von dichten Wolken verhangen, trotzdem hielten die Waliser sich im Freien auf, um Felder zu pflügen und Wäsche aufzuhängen. Alice sah einen Bauern, der für eine Sau und ihre Ferkel Futter in einen Trog schaufelte. Die Schweine waren weiß mit schwarzen Flecken, nicht rosa wie in den USA.
    Die letzte Haltestelle vor London hieß Crewe. Bis jetzt hatten sie das Abteil für sich gehabt, aber nun stieg eine Gruppe von Leuten zu. Alice sah sie durch den Korridor am Abteil vorbeigehen. Als der Zug wieder anfuhr und den Bahnhof verließ, zog eine beleibte Dame Mitte sechzig mit rabenschwarz gefärbtem Haar die Schiebetür auf, um einen Blick auf die Sitznummern zu werfen. »Tut mir leid, Sie zu stören, aber wir haben zwei Plätze reserviert.«
    »Sollen wir uns umsetzen?«, fragte Schwester Joan höflich.

    »Du lieber Himmel, nein! Sie sind zuerst zugestiegen, deswegen behalten Sie die Fensterplätze.« Die beleibte Frau trat einen Schritt zurück und rief in den Gang: »Es ist hier, Malcolm. Nein, hier drüben!«
    Ein kleiner, dicklicher Mann in einem Tweedanzug erschien in der Tür des Abteils. Er zog einen großen, schwarzen Rollkoffer hinter sich her. Alice beschloss, die beiden Eindringlinge »Mr. und Mrs. Hydrant« zu nennen, weil sie sie an zwei Hydranten erinnerten – klein, gedrungen und mit rotem Gesicht.
    Die Frau betrat das Abteil zuerst, direkt gefolgt von ihrem Mann. Er ächzte und stöhnte, bis er den schweren Koffer auf die Gepäckablage gehievt hatte. Dann ließ er sich auf den Sitz neben Alice fallen und strahlte Schwester Joan an.
    »Reisen Sie nach London?«
    »Eine andere Haltestelle gibt es nicht«, antwortete Alice schnippisch.
    »Nun ja, junge Dame, das mag stimmen. Aber von dort fahren die Anschlusszüge .« Das letzte Wort sprach Mr. Hydrant mit besonderer Betonung aus.
    »Wir reisen noch weiter«, erklärte Mrs. Hydrant. »Wir besuchen meine Schwester in London, und dann fliegen wir an die Costa Brava, wo unsere Tochter eine Ferienwohnung besitzt.«
    »Sonne und Erholung«, ergänzte Mr. Hydrant. »Aber nicht zu viel, ansonsten werde ich so rot wie eine Himbeere!«
    Als der Schaffner kam, um die Fahrkarten zu kontrollieren, beugte Alice sich vor und flüsterte Schwester Joan zu: »Lass uns in den Speisewagen gehen und einen Tee trinken.«
    Die Nonne verdrehte die Augen. »Das hätten wir vor vier Haltestellen tun können. Keinen Tee mehr für dich, junge Dame. Wir sind fast in London.«
    Ein paar Minuten später verließ Alice das Abteil, um zur Toilette zu gehen. Sie schloss die Kabinentür hinter sich ab
und versuchte, Mr. Hydrants walisischen Akzent nachzuahmen. »Zu viel Sonne, und ich verwandle mich in eine Himbeere!«
    Alice verabscheute Menschen, die zu viel lächelten und zu laut lachten. Auf der Insel hatte sie von Schwester Ruth ein wundervolles neues Wort gelernt: gravitas . Maya besaß gravitas  – eine gewisse Würde und einen Ernst, die in Alice den Wunsch weckten, den Harlequin zu imitieren.
    Als sie ins Abteil zurückkam, unterhielten die Hydranten und Schwester Joan sich gerade über Gartenarbeit. Schwester Ruth hatte einmal gesagt, die Briten seien ein gottloses Volk, doch lege sich ein heiliges Entzücken über ihre Gesichter, sobald sie sich über Bohnenstangen und Weinspaliere unterhielten.
    »Ein guter Haufen Mulch ist Gold wert«, hob Mr. Hydrant an. »Verteilt man ihn überall, kann man auf Dünger getrost verzichten.«
    »Ich kippe meine Küchenabfälle dazu, Eier- und Karottenschalen«, ergänzte Mrs. Hydrant. »Aber keine

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