Traveler - Roman
Hals, bis hinunter zum Schlüsselbein. Sie spürte, wie Blut austrat und über ihre Haut rann.
»Da siehst du’s. Rotes Blut. Genau wie unseres.«
»Hör auf mit dem Scheiß«, schimpfte Bobby Jay. »Sonst gibt’s noch Ärger.«
Tate grinste und ging zurück zum Tisch. Ein paar Sekunden lang wandte er Maya den Rücken zu und nahm seinem Bruder die Sicht auf sie. Maya ließ sich vorwärts auf die Knie fallen und riss ihre Arme so weit es ging nach hinten. Als sie sich vom Stuhl befreit hatte, schob sie ihre Arme unter ihrem Becken und ihren Beinen durch. Jetzt befanden sich ihre Arme vor dem Körper.
Maya stand blitzschnell auf – Arme und Beine noch immer gefesselt – und sprang an Tate vorbei. Machte einen Salto über den Tisch. Schnappte sich im Flug ihr Schwert und landete direkt vor Bobby Jay. Konsterniert tastete er in seiner Lederjacke nach seiner Waffe. Maya schwang das Schwert mit beiden Händen und schlitzte ihm die Kehle auf. Blut spritzte aus der Arterie. Bobby Jay sackte zusammen. Aber Maya hatte ihn bereits vergessen. Sie schob das Schwert zwischen ihre Fußknöchel und durchtrennte den Keilriemen.
Schneller. Los, beeil dich. Sie lief um den Tisch, während Tate unter seinem weiten Hemd eine Automatikpistole hervorholte. Maya machte einen Schritt nach links, ließ das Schwert mit aller Kraft niedersausen und schlug ihm den Arm ab. Tate taumelte schreiend nach hinten, aber sie war augenblicklich bei ihm und versetzte ihm Hieb um Hieb gegen Hals und Brust.
Tate fiel zu Boden. Maya stand über seiner Leiche, den Schwertgriff fest umklammert. Der Raum um sie herum schien schlagartig zu schrumpfen, als kollabierte er zu einem schwarzen Loch, und übrig blieb nur ein kleiner Punkt aus Angst, Wut und Triumph.
NEUNZEHN
D ie Gebrüder Corrigan campierten inzwischen seit vier Tagen im Obergeschoss der Textilfabrik. Am Nachmittag hatte Mr. Bubble Michael angerufen und ihm versichert, dass die Verhandlungen mit der Torrelli-Familie Fortschritte machten. In etwa einer Woche würde Michael ein paar Dokumente unterzeichnen müssen, mit denen er seinen Besitz überschrieb, und dann hätten er und Gabriel nichts mehr zu befürchten.
Deek tauchte abends zur üblichen Zeit auf und bestellte als Erstes bei einem chinesischen Restaurant etwas zu essen. Er schickte Jesús nach unten, um auf den Lieferanten zu warten, und fing an, mit Gabriel eine Partie Schach zu spielen. »Wird viel Schach gespielt im Knast«, erklärte Deek. »Aber die Jungs dort spielen alle gleich. Immer nur Angriff, Angriff, bis einer von den Königen umfällt.«
Sobald die Nähmaschinen ausgeschaltet und die Arbeiterinnen nach Hause gegangen waren, war es in der Fabrik unglaublich still. Gabriel hörte, wie sich ein Wagen auf der Straße näherte und vor dem Gebäude hielt. Er schaute aus dem Fenster und sah, dass ein Chinese mit zwei Tüten voll Essen in der Hand ausstieg.
Deek starrte auf das Schachbrett und dachte über seinen nächsten Zug nach. »Man tut den Leuten echt keinen Gefallen, wenn man Jesús bezahlen lässt. Der Fahrer ist den weiten Weg hier rausgefahren, aber von Jesús kriegt er höchstens einen Dollar Trinkgeld.«
Der Fahrer bekam von Jesús sein Geld, drehte sich um und
marschierte los. Plötzlich zog er eine Pistole unter seiner Windjacke hervor, lief auf Jesús zu, hob die Waffe und schoss dem Leibwächter den halben Kopf weg. Deek hörte den Schuss. Er rannte zum Fenster und beobachtete, wie zwei Autos die Straße entlanggerast kamen, eine Hand voll Männer heraussprang und dem Chinesen ins Gebäude folgte.
Deek drückte auf eine Taste seines Handys und sagte schnell: »Schicken Sie schnell ein paar Jungs her. Gerade stürmen unten sechs bewaffnete Männer ins Haus.« Er beendete das Gespräch, nahm sein M16-Gewehr und machte eine Handbewegung in Richtung Gabriel. »Geh zu Michael. Bleib bei ihm, bis Mr. Bubble uns rausholen kommt.«
Der massige Mann schlich leise zum Treppenhaus. Gabriel lief den Flur entlang und sah Michael neben den Feldbetten stehen.
»Was ist da los?«
»Eine Horde Männer stürmt die Fabrik.«
Eine Gewehrsalve war zu hören, allerdings wurde der Lärm der Schüsse durch die Wände gedämpft. Deek war offenbar im Treppenhaus und feuerte auf die Eindringlinge. Michael wirkte verwirrt und verängstigt. In der Tür stehend, verfolgte er, wie Gabriel eine rostige Schaufel vom Boden aufhob.
»Was hast du vor?«
»Lass uns hier verschwinden.«
Gabriel durchstieß mit der Schaufel den
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