Traveler - Roman
mit Schaumstoffmatratze, Schlafsack und Kopfkissen. Ein Meter von dem Bett entfernt befanden sich eine Propangaslampe, ein zugedeckter Eimer und drei gefüllte Wasserflaschen.
»Dies war früher der Schlafraum für das Personal. Während meiner ersten Zählung der Splendidae habe ich mich für ein paar Wochen hier unten aufgehalten.«
»Und das soll ich jetzt auch tun?«
»Ja. Acht Tage lang.«
Gabriel blickte sich in dem kahlen Raum um. Er erinnerte ihn an eine Gefängniszelle. Beklag dich nicht, dachte er. Tu einfach, was sie sagt. Er stellte seinen Rucksack ab und setzte sich auf das Bett.
»Gut. Fangen wir an.«
Sophia lief unruhig im Raum umher, hob heruntergefallene Betonstückchen auf und warf sie in eine Ecke. »Zuerst die grundlegenden Fakten. Jedes Lebewesen trägt eine besondere Form von Energie in sich, die wir das Licht nennen. Man kann, wenn man will, auch ›Seele‹ dazu sagen. Ich kümmere mich nicht allzu sehr um theologische Begriffe. Wenn ein normaler Mensch stirbt, kehrt seine Energie wieder zu der ihn umgebenden Energie zurück. Bei einem Traveler ist es jedoch anders. Das Licht kann sich aus dem lebendigen Körper entfernen und wieder zurückkehren.«
»Maya hat mir erzählt, dass das Licht in andere Sphären reist.«
»Ja. Man nennt sie ›Sphären‹ oder ›Parallelwelten‹. Auch in diesem Fall können Sie den Begriff benutzen, der Ihnen am sinnvollsten erscheint. In den Schriften aller bedeutenden Religionen werden Details dieser Sphären beschrieben. Sie sind die Quelle aller mystischen Visionen. Viele Heilige und Propheten haben etwas über die Sphären geschrieben, aber es waren buddhistische Mönche in Tibet, die als Erste versucht haben, das Wesen der Sphären zu begreifen. Vor der chinesischen Invasion war Tibet über tausend Jahre lang eine Theokratie. Die Bauern ernährten die Nonnen und Mönche, damit diese die Berichte der Traveler studieren und ihre Angaben systematisieren konnten. Die Sechs Sphären sind keine rein
buddhistische Vorstellung. Die Buddhisten waren nur die Ersten, die sie beschrieben haben.
»Und wie komme ich in diese Sphären?«
»Das Licht bricht aus Ihrem Körper aus. Damit das geschehen kann, müssen Sie sich ein wenig bewegen. Beim ersten Mal ist es sehr sonderbar – sogar schmerzhaft. Dann muss Ihr Licht jeweils vier Grenzen überwinden, um in andere Sphären zu gelangen. Die Grenzen bestehen aus Wasser, Feuer, Erde und Luft. Es gibt keine festgelegte Abfolge, in der sie überwunden werden müssen. Wenn Ihr Licht einmal den Durchgang gefunden hat, findet es ihn immer wieder.«
»Angenommen, ich gelange in die Sechs Sphären«, sagte Gabriel. »Was erwartet mich dort?«
»Wir leben in der Vierten Sphäre. Das ist die reale Welt der Menschen. Tja, und wie ist unsere Welt? Schön. Schrecklich. Quälend. Aufregend.« Sophia sammelte einen kleinen Betonbrocken auf und warf ihn durch den Raum. »Eine Welt, in der es Schlangen und Minzeis mit Schokoladenstückchen gibt, hat auch ihre Vorteile.«
»Und was ist mit den anderen Sphären?«
»Jeder Mensch kann Spuren von ihnen in seinem Herzen entdecken. Die Sphären werden jeweils von einem bestimmten Charakteristikum bestimmt. In der Sechsten Sphäre der Götter ist der Stolz die Sünde. In der Fünften Sphäre der Halbgötter ist es der Neid. Beachten Sie aber, dass wir nicht von Wesen wie unserem Gott sprechen, dem Schöpfer des Universums. Den Tibetern zufolge sind die Götter und Halbgötter wie Menschen aus einer anderen Realität.«
»Und wir leben in der Vierten Sphäre …«
»In der die Begierde die Sünde ist.« Sophia drehte sich um und beobachtete, wie sich eine Königsnatter langsam an einem Leitungsrohr herunterbewegte. »Die Tiere der Dritten Sphäre kennen nichts außer sich selbst. Die Zweite Sphäre ist von den hungrigen Geistern bevölkert, die niemals zufrieden
gestellt werden können. Die Erste Sphäre ist eine Stadt der Angst und des Hasses, regiert von mitleidlosen Herrschern. Dieser Ort hat auch andere Namen: Scheol, Hades, Hölle.«
Gabriel stand auf wie ein Gefangener, der bereit ist, dem Erschießungskommando gegenüberzutreten. »Sie sind die Wegweiserin. Sagen Sie mir, was ich tun soll.«
Sophia Briggs wirkte belustigt. »Sind Sie müde, Gabriel?«
»Es war ein langer Tag.«
»Dann sollten Sie sich schlafen legen.«
Sophia holte einen Filzstift aus der Tasche und ging zur Außenwand. »Sie müssen die Trennung zwischen dieser Welt und Ihren Träumen einreißen.
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