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Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
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Ich zeige Ihnen jetzt den einundachtzigsten Pfad. Er wurde von Kabbalisten entdeckt, die in der Stadt Zefat im Norden Galiläas lebten.«
    Sie schrieb mit dem Stift vier hebräische Buchstaben an die Wand. »Das ist das Tetragramm – der aus vier Buchstaben bestehende Name Gottes. Versuchen Sie, beim Einschlafen diese Buchstaben im Kopf zu behalten. Denken Sie nicht an sich selbst oder an mich – oder an die Splendidae. Während Sie schlafen, sollten Sie sich dreimal fragen: ›Wach ich, oder träum ich?‹ Öffnen Sie nicht die Augen, sondern bleiben Sie in der Traumwelt, und beobachten Sie, was passiert.«
    »Und das ist alles?«
    »Für den Anfang reicht es«, antwortete sie lächelnd und ging hinaus.
    Gabriel zog seine Stiefel aus, legte sich aufs Bett und starrte die vier hebräischen Buchstaben an. Er hatte keine Ahnung, wie man sie aussprach, aber nach einer Weile schwirrten sie in seinem Kopf herum. Einer der Buchstaben sah aus wie ein Unterstand. Ein gebogener Stock. Noch ein Unterstand. Und dann ein Häkchen, das einer kleinen Schlange glich.
    Er fiel in tiefen Schlaf, und dann war er wach oder halbwach  – genau wusste er es nicht. Er blickte auf das Tetragramm hinunter, das mit rot gefärbtem Sand auf einen grauen
Schieferboden gezeichnet war. Und vor seinen Augen verwehte eine Windbö den Namen Gottes.
     
    Gabriel wachte schweißgebadet auf. Anscheinend hatte die Glühbirne den Geist aufgegeben, denn es war finster im Raum. Vom anderen Ende des zum Haupttunnel führenden Flurs drang ein schwacher Lichtschein herüber.
    »Hallo!«, rief er. »Sophia?«
    »Ich komme.«
    Gabriel hörte, wie jemand den Schlafraum betrat. Sophia schien sich auch im Dunkeln problemlos zurechtzufinden. »Das passiert andauernd. Feuchtigkeit sickert durch den Beton und dringt in die Lampengewinde.« Sie klopfte gegen die Glühbirne, und der Wolframfaden begann zu leuchten. »So, das hätten wir.«
    Sie nahm die Propangaslampe vom Boden und brachte sie Gabriel. »Hier, das ist Ihre. Für den Fall, dass das Licht wieder ausgeht oder Sie sich hier unten ein bisschen umsehen wollen.« Sie musterte sein Gesicht. »Wie haben Sie geschlafen?«
    »Ging so.«
    »Waren Sie sich Ihres Traums bewusst?«
    »Beinahe. Aber dann hab ich’s nicht mehr geschafft, darin zu bleiben.«
    »Seien Sie nicht ungeduldig. Kommen Sie. Und nehmen Sie Ihr Schwert mit.«
    Gabriel folgte Sophia in den Haupttunnel. Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte. War es noch Nacht oder schon Morgen? Ihm fiel auf, dass die Helligkeit der Glühbirnen schwankte. Fünfundzwanzig Meter über ihnen ließ Wind die Blätter der Josuabäume rascheln und drückte gegen die Rotorblätter des Windrads. Manchmal bliesen kräftige Böen, sodass die Lampen hell leuchteten. Sobald der Wind jedoch nachließ, kam der Strom ausschließlich von Batterien, und die
Wolframfäden leuchteten nur noch dunkelorange wie die glühenden Scheite eines heruntergebrannten Feuers.
    »Ich möchte, dass Sie es mit dem siebzehnten Pfad versuchen. Da Sie ein Schwert mitgebracht haben, könnte das eine gute Idee sein. Dieser Pfad stammt von Japanern oder Chinesen: Er hat mit einer Philosophie des Schwertkampfs zu tun. Man soll seine Gedanken auf ein Ziel richten, indem man nicht denkt.«
    Sie blieben am Ende des Tunnels stehen, und Sophia deutete auf eine Wasserlache auf den rostigen Stahlplatten. »Los geht’s …«
    »Was soll ich tun?«
    »Schauen Sie nach oben. An die Decke.«
    Er legte den Kopf in den Nacken und sah, wie sich über ihnen an einem der gewölbten Stahlträger ein Wassertropfen bildete. Drei Sekunden später fiel er herunter und zerplatzte auf dem Boden.
    »Heben Sie Ihr Schwert, und schneiden Sie den nächsten Tropfen in der Mitte durch, ehe er den Boden berührt.«
    Einen Moment lang glaubte er, Sophia habe ihm diese unmöglich zu erfüllende Aufgabe nur aus Spaß gestellt, aber ihre Miene war vollkommen ernst. Er umklammerte den Griff der Waffe mit beiden Händen, stellte sich in der typischen Kendo-Haltung auf und wartete ab. Der Wassertropfen über ihm wurde immer größer, zitterte und fiel. Gabriel schwang das Schwert und verfehlte den Tropfen um etliche Zentimeter.
    »Nicht antizipieren«, sagte sie. »Einfach nur bereit sein.«
    Die Wegweiserin ließ ihn allein. Der nächste Tropfen bildete sich. In zwei Sekunden würde er herunterfallen. In einer. Jetzt. Der Tropfen fiel, und er schwang das Schwert voll Hoffnung und Verlangen.

ZWEIUNDVIERZIG
    N ach dem

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