Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Traveler - Roman

Traveler - Roman

Titel: Traveler - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
Junge, der die Schürze eines Erwachsenen trug, fegte sorgsam den Boden. Das Essen war echt. Die beiden Männer und der Junge wirkten gesund. Gabriels Hand berührte den Türknauf aus Messing. Er zögerte kurz, dann ging er hinein.
    »Sie müssen ein Neuankömmling sein«, sagte der Metzger breit lächelnd. »Ich kenne fast jeden in dieser Gegend, aber Sie habe ich noch nie gesehen.«
    »Kann ich etwas zu essen bekommen?«, fragte Gabriel. »Zum Beispiel ein Stück Schinken.«
    Er deutete dabei auf die drei geräucherten Schinken, die an Haken über der Vitrine mit dem Fleisch hingen. Der Schlachter
wirkte amüsiert, und sein Gehilfe schnaubte. Ohne um Erlaubnis zu fragen, streckte Gabriel die Hand aus und berührte einen der Schinken. Irgendetwas stimmte nicht. Er fühlte sich unecht an. Gabriel nahm ihn vom Haken, ließ ihn auf den Boden fallen und beobachtete, wie er in unzählige Stücke zersprang. Sämtliches Fleisch in der Metzgerei war täuschend echt, aber aus Ton.
    Er hörte ein metallisches Klicken und wirbelte herum. Der Junge hatte die Tür abgeschlossen. Als er sich wieder umdrehte, sah Gabriel, wie der Schlachter und sein Gehilfe hinter der Vitrine hervorkamen. Der Gehilfe zog ein zwanzig Zentimeter langes Messer aus einem ledernen Futteral an seinem Gürtel. Der Metzger hielt ein großes Hackbeil in der Hand. Gabriel zückte sein Schwert und trat zurück, sodass er mit dem Rücken an der Wand stand. Der Junge stellte den Besen beiseite und holte ein dünnes Messer mit gewölbter Klinge hervor  – die Sorte, die man zum Ausbeinen benutzte.
    Lächelnd hob der Gehilfe den Arm und warf sein Messer. Gabriel wich ruckartig nach links aus, und die Klinge grub sich in die Holzvertäfelung der Wand. Jetzt kam der Schlachter auf ihn zu und schwang bedrohlich das Hackbeil. Gabriel täuschte einen Hieb in Richtung Kopf an, senkte dann blitzschnell das Schwert und traf den Schlachter am Arm. Der Geist grinste und zeigte ihm die Wunde: ein tiefer Schnitt bis auf den Knochen, aber kein Blut.
    Gabriel ging zum Angriff über: Das Hackbeil schnellte hoch, wehrte den Schwerthieb ab. Die beiden Klingen rieben aneinander, erzeugten ein kreischendes Geräusch. Gabriel machte einen Ausfallschritt zur Seite, ließ das Schwert niedersausen und hackte dem Geist das linke Bein direkt unter dem Knie ab. Der Schlachter fiel vornüber und knallte auf den Fliesenboden. Stöhnend lag er da und vollführte mit den Armen Bewegungen wie beim Kraulschwimmen.
    Der Gehilfe griff sich ein Messer vom Hackbrett, und Gabriel
erwartete, sich erneut verteidigen zu müssen. Doch der Gehilfe kniete sich neben den Metzger, stach ihm das Messer tief in den Rücken und zog die Klinge bis hinunter zur Hüfte. Der Junge rannte hinüber, schnitt sich aus der klaffenden Wunde trockenes Fleisch und schob es sich in den Mund.
    Gabriel schloss die Tür auf, rannte hinaus und lief über die Straße zu dem kleinen Park in der Mitte des Platzes. Eine Menge Menschen strömte aus den Gebäuden. Er erkannte die Klavierspielerin und den kleinen Verkäufer mit der Fliege wieder. Die Geister wussten, dass er unter ihnen weilte. Sie suchten nach ihm, hofften, er werde ihre Leere ausfüllen.
    Gabriel stand allein neben der Tribüne. Sollte er weglaufen? War eine Flucht überhaupt möglich? Er hörte einen Automotor, drehte sich um und sah, wie ein Wagen mit eingeschalteten Scheinwerfern auf ihn zufuhr. Als der Wagen näher kam, stellte Gabriel fest, dass es ein altmodisches Taxi mit einem gelb beleuchteten Dachschild war. Das Taxi hupte mehrmals und hielt dann am Bordstein an. Der Fahrer kurbelte das Seitenfenster herunter und grinste Gabriel an: Es war Michael.
    »Steig ein!«, rief er.
    Gabriel kletterte rasch in den Wagen. Sein Bruder kurvte hupend um den Platz herum und wich dabei immer wieder den Geistern aus. Er bog in eine Seitenstraße ab und gab ein wenig Gas. »Ich war oben auf einem der Dächer und hab dich auf dem Platz gesehen.«
    »Wie hast du dir das Taxi besorgt?«
    »Ich bin runter auf die Straße gerannt, und da tauchte das Taxi auf. Der Fahrer war ein dünner alter Kerl, der mich immer wieder fragte, ob ich ›neu‹ sei – was auch immer das bedeutet. Ich hab ihm einen Schlag ins Gesicht verpasst, ihn aus dem Wagen gezerrt und bin weggefahren.« Michael lachte laut auf. »Ich habe keine Ahnung, wo wir sind, aber ich glaube nicht, dass man uns hier wegen Autodiebstahls festnehmen wird.«

    »Wir sind in der Zweiten Sphäre der hungrigen

Weitere Kostenlose Bücher