Traveler - Roman
möglich ist, Drähte in fünf Regionen des Gehirns zu implantieren, wobei die wichtigsten das Zerebellum und der Thalamus sind. Ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Boone holte eine DVD aus der Tasche und schob sie in das Laufwerk des Laptops. »Diese Filmaufnahme wurde vor etwa einem Jahr in Nordkorea gemacht.«
Ein bräunlicher Rhesusaffe erschien auf dem Bildschirm. Er saß in einem Käfig. Aus seinem Schädel ragten Drähte, die zu einem kleinen, am Körper des Affen befestigten Apparat führten. »Schauen Sie gut hin. Niemand führt dem Tier Stich-oder Brandverletzungen zu. Man braucht nur auf einen Knopf an der Fernbedienung zu drücken und …«
Der Affe schrie auf und brach mit einem schmerzverzerrten Gesichtsausdruck zusammen. Dann lag er zuckend und leise wimmernd auf dem Käfigboden.
»Sehen Sie? Keinerlei physisches Trauma, stattdessen wird das Nervensystem einem starken neurologischen Reiz ausgesetzt.«
Richardson war nahezu sprachlos. »Wieso haben Sie mir das gezeigt?«
»Das dürfte doch auf der Hand liegen, oder? Wir wollen, dass Sie Gabriels Gehirn verkabeln. Sobald er von seiner Reise in andere Sphären zurückkehrt, werden seine Fesseln entfernt. Wir werden ihn gut behandeln und versuchen, ihn von seinen rebellischen Ansichten zu gewissen Themen abzubringen. Aber in dem Moment, in dem er Anstalten macht, uns zu verlassen, wird jemand auf den Knopf drücken und –«
»Kommt nicht in Frage«, entgegnete Richardson. »Das wäre Folter.«
»Dieser Begriff ist unzutreffend. Wir stellen lediglich sicher, dass gewisse unerfreuliche Entscheidungen prompte Konsequenzen nach sich ziehen.«
»Ich bin Arzt. Meine Aufgabe ist es, Menschen zu heilen. Das … das wäre falsch.«
»Sie sollten wirklich an Ihrer Wortwahl arbeiten, Herr Doktor. Unsere Maßnahme ist nicht falsch. Sie ist notwendig .«
Nathan Boone stand auf und ging zur Tür. »Machen Sie sich mit dem Inhalt der DVD vertraut. In ein paar Tagen erhalten Sie weitere Informationen.«
Er lächelte ein letztes Mal und verschwand dann im Flur.
Dr. Richardson fühlte sich wie jemand, der gerade erfahren hatte, dass in seinem Körper Krebszellen entdeckt worden sind, die sich bereits in seinem ganzen Körper ausgebreitet haben. Aus Angst und Ehrgeiz hatte er sämtliche Symptome ignoriert, und jetzt war es zu spät.
Er blieb im Labor sitzen und studierte auf dem Laptop das Verhalten der Affen. Sie sollten aus ihrem Käfig ausbrechen, dachte er. Sie sollten weglaufen und sich verstecken. Aber jemand erteilte einen Befehl, ein Knopf wurde gedrückt, und ihnen blieb nichts anderes übrig, als zu gehorchen.
SECHSUNDFÜNFZIG
I n ein Gebäude einbrechen zu können, war für einen Harlequin selbstverständlich und unerlässlich. Als Maya ein Teenager gewesen war, hatte Linden ihr drei Tage lang alles Wissenswerte über Schlösser, Keycards und Alarmanlagen beigebracht. Zum Abschluss dieses privaten Seminars half der französische Harlequin ihr, in das University College London einzusteigen. Sie waren durch die leeren Säle spaziert und hatten in dem schwarzen Mantel, den Jeremy Benthams Gerippe trug, eine Postkarte versteckt.
Auf den Blaupausen des Forschungszentrums war ein Belüftungsrohr zu sehen, das unter der Erde zum Keller des genetischen Forschungslabors führte. An mehreren Stellen hatte der Architekt »PIR« in kleinen Buchstaben eingezeichnet, was für passive Infrarotbewegungsmelder stand. Diese Apparate stellten kein großes Problem dar, aber Maya befürchtete, dass später noch weitere Sicherheitsmaßnahmen ergriffen worden waren.
Hollis hielt an einem Einkaufszentrum westlich von Philadelphia an. Sie besorgten sich in einem Sportgeschäft eine Bergsteigerausrüstung, und in einem Laden für medizinischen Bedarf eine kleine Menge flüssigen Stickstoffs. In der Nähe des Einkaufszentrums befand sich ein Baumarkt, in dem sie eine ganze Stunde verbrachten. Maya belud den Einkaufswagen mit Hammer und Meißel, einer Taschenlampe, einer Brechstange, einer kleinen Propangas-Brennlampe und einem Bolzenschneider. Sie hatte das Gefühl, dass alle Augen auf sie gerichtet
waren, aber Hollis schäkerte ein wenig mit der jungen Kassiererin, und niemand versuchte, sie am Verlassen des Geschäfts zu hindern.
Am späten Nachmittag desselben Tages erreichten sie Purchase, New York – eine reiche Kleinstadt mit großen Wohnhäusern, Privatschulen und Firmenzentralen inmitten gepflegter Parkanlagen. Maya erkannte, dass sich die Gegend perfekt
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