Traveler - Roman
Wut anzumerken. »Wir müssen uns sofort auf den Weg machen.«
»Wir fahren mit dem Pick-up rüber an die Ostküste. Ich hab das schon mal gemacht. Dauert etwa zweiundsiebzig Stunden.«
»Das ist zu lange.«
»Nehmen wir mal an, ein fliegender Teppich würde uns zu dem Forschungszentrum bringen. Dann müssten wir uns trotzdem noch überlegen, wie man reinkommt.« Er lächelte Maya an, bemüht, Optimismus auszustrahlen. »Um quer durch Amerika zu fahren, braucht man lediglich Kaffee, Benzin und gute Musik. Und unterwegs haben Sie genug Zeit, sich einen Plan auszudenken.«
Maya starrte regungslos auf die Windschutzscheibe, dann nickte sie kurz. Es ärgerte sie, dass ihre Gefühle ihre Entscheidungsfähigkeit beeinträchtigt hatten. Hollis hingegen dachte so wie ein Harlequin.
Zwischen ihnen auf der Sitzbank lagen mehrere Schuhkartons mit CDs. Es gab in der Fahrerkabine zwei große Lautsprecher und zwei übereinander montierte CD-Spieler. Als sie auf die Stadtautobahn eingebogen waren, schob Hollis eine CD ein und drückte auf die Play-Taste. Maya war auf die wummernden Beats von House Music gefasst, aber stattdessen ertönte Sweet Georgia Brown , gespielt von Django Reinhardt.
Hollis entdeckte verborgene Verbindungen zwischen Jazz, Rap, Klassik und Worldmusic. Er saß am Steuer, lenkte mit der linken Hand und ging mit der rechten die CDs durch. Er stellte einen Endlossoundtrack für ihre Reise zusammen, verschmolz die Musikstücke miteinander, sodass ein Saxophonsolo von Charlie Parker nahtlos in den Gesang eines Chors russischer Mönche überging, an den sich dann Maria Callas mit einer Arie aus Madame Butterfly anschloss.
Die Wüsten und Berge der westlichen Bundesstaaten glitten wie ein schöner Traum von grenzenloser Freiheit an ihnen vorüber. Die amerikanische Landschaft hatte keinen Bezug
zur Realität. Den hatten nur die riesigen Lkw-Gespanne, die über die Highways donnerten, beladen mit Benzin, Sperrholz oder Hunderten verängstigter Schweine, die ihre Schnauzen durch die Spalten eines Viehtransporters schoben.
Die meiste Zeit fuhr Hollis, und Maya nutzte die Zeit, um mit Hilfe ihres Handys und Laptops ins Internet zu gehen. Sie spürte Linden in einem Chatroom auf und erklärte in unauffälliger Sprache, wohin sie fuhren. Der französische Harlequin stand in Kontakt mit neu entstandenen Gruppen in Amerika, Europa und Asien – meistens junge Leute, die sich gegen die Maschine verbündet hatten. Eine dieser Gruppen betrieb eine Webseite, die offiziell einem Stuttgart Social Club gehörte. Der Klub ermöglichte es den Hackern, die überall, nur nicht in Stuttgart lebten, ihre Identität zu verschleiern und ungestört miteinander zu kommunizieren. Linden teilte ihnen mit, dass dringend alle verfügbaren Informationen über das Forschungszentrum der Evergreen Foundation in Purchase, New York, benötigt wurden.
Zuerst schickte der Stuttgart Social Club Maya Zeitungsartikel über die Evergreen Foundation, die jemand von ihnen aus dem Netz heruntergeladen hatte. Stunden später drangen einzelne Klubmitglieder in die Datensysteme von Regierungsbehörden und großen Firmen ein. Ein spanischer Hacker mit dem Tarnnamen Hercules verschaffte sich Zugang zu dem Rechner des Architekturbüros, welches das Forschungszentrum entworfen hatte, und kurz darauf erschien eine Reihe von Blaupausen auf dem Bildschirm von Mayas Laptop.
»Es ist ein großes Areal am Rand eines Vororts von New York«, erklärte Maya, nachdem sie sich die Zeichnungen näher angesehen hatte. »Vier große Gebäude an jeweils einer Ecke eines quadratischen Platzes. Und in der Mitte ein fünftes, das keine Fenster hat.«
»Wie sind die Sicherheitsvorkehrungen?«
»Das Ganze gleicht einer Festung. Eine drei Meter hohe Mauer. Jede Menge Überwachungskameras.«
»Wir haben einen Vorteil auf unserer Seite. Wetten, dass die Tabula viel zu selbstgefällig sind, um damit zu rechnen, dass jemand bei ihnen einbricht? Kommt man irgendwie rein, ohne jede Menge Alarmanlagen auszulösen?«
»Das Gebäude, in dem die genetischen Forschungen betrieben werden, hat vier Kellergeschosse. Es gibt ein unterirdisches Tunnelsystem, in dem Wasserleitungen, Stromkabel und die Rohre der Klimaanlage verlaufen. Einer der Wartungseingänge für das Belüftungssystem befindet sich einige Meter außerhalb der Mauer.«
»Klingt vielversprechend.«
»Wir brauchen Werkzeug, um hineinzukommen.«
Hollis schob eine neue CD ein, und aus den Lautsprechern dröhnte Tanzmusik
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